Der chinesische E-Auto-Bauer Nio eröffnet diesen Monat in Oslo (Norwegen) sein erstes Nio House in Europa. In Bestlage nahe dem Königspalast, versteht sich. Anders als andere Hersteller setzen die Chinesen aber keinen repräsentativen Prunkpalast ins Stadtzentrum. Vielmehr soll das Areal eine Begegnungsstätte für Nio-Fans werden – Rückzugsort und Diskussionsforum gleichzeitig. Ganz im Sinne von Nio-Gründer William Li, der den Gemeinsamkeitsgedanken als elementar für seine Firma empfindet. So können Nio-Kundinnen und -Kunden in China heute schon direkt mit ihm per App kommunizieren und ihre Wünsche und Anregungen formulieren. «Li nimmt sich jeden Tag Zeit, solche Anfragen persönlich zu beantworten. Firmen, die zuhören, sind erfolgreich», erklärt Hui Zhang, Vice President der Nio Group, die Philosophie.
So funktioniert Nio in China. Und so soll Nio bald auch in Europa organisiert sein. Los gehts jetzt, quasi als Gesellenstück, erst mal in Norwegen mit dem vollelektrischen SUV ES 8. Im vierten Quartal des nächsten Jahres wird dann neben Schweden, Holland und Deutschland auch die Schweiz in die Nio-Gemeinde aufgenommen. Und zwar mit der Limousine Nio ET 7, die eben die Erprobungsphase erfolgreich abgeschlossen hat und Ende Jahr in China an die ersten Kunden ausgeliefert wird. Die 5,09 Meter lange E-Limousine kostet in China 448'000 RMB (umgerechnet 60'000 Fr.). Es gibt aber auch ein günstigeres Angebot, bei dem der Akku nur geleast wird.
Nio ist eine Premium-Marke
Warum eine Limousine und kein bei uns viel mehr gefragter SUV? Die Antwort ist einfach: Der ET 7 basiert auf der aktuellen Plattform und bietet die neueste Technik. «Man hat nur einmal die Gelegenheit, einen ersten Eindruck zu hinterlassen», weiss Europa-Chef Oliver Schwarz. Solches Denken ist vor allem für Länder wie die Schweiz oder Deutschland wichtig. Denn Nio sieht sich als Premium-Marke und möchte Audi, BMW und Mercedes Kunden abwerben.
Kundendienst als Trumpf
Nio will die etablierte europäische Konkurrenz freilich nicht auf der Autobahn schlagen, sondern ganz im Sinne des Firmenchefs beim Kundendienst. Nio-Käuferinnen und -Käufer sollen alle Königinnen und Könige sein. Zum Beispiel beim Akkuladen. Die Chinesen beobachten das Gerangel um Ladestationen sehr genau und wollen sich mit einem starken Partner zusammentun. In Norwegen zum Beispiel mit Plugsurfing. So haben Nio-Kunden Zugang zu 20'000 Ladepunkten. Noch verraten die Nio-Verantwortlichen nicht, mit wem sie in der Schweiz und Deutschland zusammenarbeiten wollen.
Wechselbatterien-Technik
Nio will aber auch die Wechselbatterien-Technik nach Europa bringen. Der schnelle Batterietausch ist keine Spinnerei technikverliebter Enthusiasten. In China existieren bereits 470 solcher Wechselstationen, die 13 Ersatz-Akkumodule beherbergen und nur noch den Platz von vier Parkplätzen benötigen. Die chinesische Regierung hat diese Technologie als wichtig erkannt, und bereits setzen mit Geely und Saic auch weitere grosse Hersteller in China auf diese Technik. Das Manövrieren in den Wechselport wird übrigens in Zukunft nicht mehr nötig sein, das erledigt das Auto per Knopfdruck selbst. Wem das noch zu aufwendig ist, der kann auch eine Art Valet-Service-Abo bestellen, der das Wechseln der Module erledigt und den Wagen wieder beim Besitzer abliefert.
Batterie-Leasing für Einsteiger
Der Service für Nio-Kundinnen und -Kunden reicht aber noch weiter. Damit auch jüngere Autofahrer sich einen Nio leisten können, bietet der Autobauer Akku-Leasing an, das über die eigene Tochtergesellschaft Weineng Battery Asset abgewickelt wird. Hinter diesem Geschäftsmodell steckt der Gedanke «Battery as a Service»: Das E-Auto fährt täglich mit einem kleinen Akkupaket auf kürzeren Strecken, und nur bei Bedarf – etwa für eine weitere Urlaubsreise – setzt man ein grösseres Batteriepaket ein. Der Kaufpreis für ein Nio-Auto verringert sich so um umgerechnet rund 10'000 Franken. Und weiterer netter Nebeneffekt: Ohne teure, aber auch alternde Batterie steigt der Restwert solcher Autos.