Beim Autogigant Volkswagen verliert man derzeit vor lauter Umkrempelei fast den Überblick. Der Riese mit den vielen Marken (Audi, Bentley, Bugatti, Ducati, Lamborghini, MAN, Scania, Seat, Skoda, Porsche, VW) – gibt das Ziel auf, vor Erzkonkurrent Toyota zu liegen, will zum grünen Ökounternehmen werden, mit eigener VW-Software glänzen, sich digitalisieren – und gleich auch noch autonom fahren.
Während VW-Personenwagen diese Technologie als erste in bürgerliche Preisklassen bei den Privatwagen tragen sollen, ist VW Nutzfahrzeuge (VWN) am Thema ÖV. Das Stichwort heisst Ride Pooling: Für die «letzte Meile» ordert man per App den Shuttlebus. Der pickt diverse Nutzer am jeweiligen Ort auf und liefert sie an einem Ziel oder individuellen Orten ab. Geht es nach VWN, ist das Sammeltaxi der Zukunft der ID.Buzz, der Ende 2022 startet. Wann autonom? Schon 2025!
2,4 Milliarden Franken investiert
Denn das Rennen ums automatisierte Fahren (wie es korrekt heisst) ist längst eröffnet. Ausser mit Autobauern muss sich VW auf diesem Feld mit Google und Co. messen. Wie bedeutsam das Business eingeschätzt wird, zeigt eine Zahl: VW hat sich bei Argo AI eingekauft, dem bereits mit Ford verbandelten US-Start-Up, wo 1200 Leuten an der selbst fahrenden Zukunft arbeiten. Investitionen: 2,4 Milliarden Franken!
Ein erster Erfolg: Der neue Lidar (Rundum-Laserscanner) soll der beste seiner Art sein. So erkenne er etwa dunkle Autos super, die sonst ein Schwachpunkt sind, weil dunkler Lack weniger reflektiert. Und ohne Radar, 3D-Kamera und Lidar gibt es kein autonomes Fahren auf Level vier (zum Beispiel in einer Stadt).
Ab 2025 autonom durch Hamburg
Inzwischen sind dazu 150 VW-Testfahrzeuge in sechs US-Städten unterwegs, und im Sommer geht es in München (D) los – erstmals auch mit Argo-AI-Fahrzeugen auf ID.Buzz-Basis (vorerst Prototypen im T6-Look). Jeder Kilometer zählt, damit das System schnell «lernt». Und wer mit Städten anfängt, dessen Algorithmen lernen komplexere Situationen kennen.
Zum Testmarkt wird 2025 Hamburg (D). Dort ist der Volkswagen-eigene Pooling- und Sharing-Dienstleister Moia mit seinen T6 bereits gut im Geschäft. Ab 2025 soll er dann mit den ID.Buzz ohne begleitenden «Sicherheitsfahrer» an Bord unterwegs sein. Das Ziel: Grüner dank E-Antrieb, sicherer ohne Mensch am Steuer, weniger Verkehrsdichte via Pooling.
Jede Nacht zehn Millionen Tests
Inzwischen arbeitet Volkswagen gemäss eigenen Angaben an der fünften Generation seines Systems zum automatischen Fahren. Jede Nacht liefen zehn Millionen virtueller Tests durch den Computer – und real teste man auch mit Regen und Schlamm sowie selbstreinigenden Sensoren. Für jene Städte und Agglos, die als erste mit Level vier bespielt würden, erstelle man 3D-Karten. Das fahrerlose Auto «lerne» zudem gar, die Einsteigenden abzuzählen.
Hoch interessiert am autonomen ID.Buzz sind laut VWN übrigens auch Paketdienste. Bis Pakete ohne Fahrer den Weg zum Kinden finden, dürfte es aber noch dauern. Die Sensoren und Systeme müssten dazu sehr situationsfest sein, sagt Christian Senger, Leiter Autonomes Fahren bei VWN: «Keiner will sein Paket nur bei schönem Wetter bekommen.»