Der Autobauer Volkswagen, wichtigste Marke im VW-Konzern, setzt alles auf die Strom-Karte. Bis 2025 sollen 35 Mrd. Euro in neue E-Autos fliessen. «Volkswagen wird die begehrenswerteste Marke bei nachhaltiger Mobilität», prophezeit Markenchef Ralf Brandstätter.
Bis 2030 soll der Absatz von reinen Elektromodellen in Europa auf über 70 Prozent steigen, das sind doppelt so viele wie aktuell. In China und den USA sollen es mehr als 50 Prozent werden. Ob Europa in neun Jahren zum Elektro-Kontinent mutiert, bleibt abzuwarten. Einen Plan B scheint es dabei nicht zu geben: Wenn die Elektromobilität nicht den erhofften Durchbruch schafft, könnte ein Desaster drohen.
Sechs Stromer bis 2025
Den Start hat VW geschafft: Mit 14'493 Einheiten verkaufte sich der ID.3 als erstes Modell der neuen Elektrofamilie 2020 ganz ordentlich; nur bei der Software läufts noch nicht immer rund. Im März folgt der VW ID.4; das SUV-Coupé ID.5 (als Studie ID.Crozz) soll ebenfalls noch 2021 erscheinen. Im kommenden Jahr startet das siebensitzige SUV ID.6 nach China auch in Europa; ausserdem folgt der Neo-Bulli ID.Buzz. Im Jahr 2023 soll dann der Aero-B mit 700 Kilometern Reichweite die letzten Elektromobilitäts-Zweifler nach Wolfsburg locken. Ein kleines E-Einstiegsmodell soll 2025 starten.
Für die Wolfsburger zählt dabei nur die Nummer eins. So ist es bei den Fahrzeugen mit Verbrennern, so soll es bei den Stromern sein. Die Vorgaben für die nächsten Jahre stammen noch vom ehemaligen Markenchef und amtierenden Konzern-CEO Herbert Diess. Sein Nachfolger Ralf Brandstätter muss die Strategie jetzt umsetzen, ob er will oder nicht. Ihr Name: «Accelerate», Deutsch für Beschleunigen.
Software statt Verbrenner
«Digitalisierung ist dabei der Gamechanger!», sagt Brandstätter. Der ganze Konzern soll sich softwarebasiert neu aufstellen – von Entwicklung über Produktion und Vertrieb bis hin zu neuen Verdienstmöglichkeiten. Schlüsselprojekt ist das Projekt «Trinity». Schon beim Marktstart 2026 soll das grosse Elektro-Coupé autonomes Fahren auf Level 2+ beherrschen, später soll Level 4 möglich sein. Seine Technologie soll dann in die kleineren Segmente ausgerollt werden. Bis 2030 will VW autonomes Fahren für viele ermöglichen.
Für Brandstätter wird das Auto zum softwarebasierten Produkt und schafft neue datenbasierte Geschäftsmodelle. Künftige VW-Fahrer sind eher Nutzer als Käufer, die das Fahrzeug nur mieten und nicht besitzen – und über die gesamte Lebensdauer neue Funktionen hinzuordern können. Per Nutzerdaten könnte VW erkennen, dass der Nutzer immer öfter lange Strecken zurücklegt und ihm per Drahtlos-Update eine Reichweitenverlängerung oder autonome Fahrfunktionen verkaufen. VW rechnet mit Einnahmen von dreistelligen Millionenbeträgen.
Optionen als Download
Die Hardware wie Kameras und Sensoren muss in jedem Auto vorhanden sein, um sie später freischalten zu können. Damit es nicht zu kompliziert wird, reduziert VW daher die Anzahl der Varianten: Mehr als Batteriegrösse, Felgen und Farbe für Blech und Interieur soll man künftig nicht mehr wählen können. «Einen VW zu bestellen wird so einfach wie bei einem Smartphone», verspricht Ralf Brandstätter. Das senkt auch Produktionsaufwand und Materialvielfalt – und die Zahl der Arbeitsplätze. Die Gespräche mit der Arbeitnehmerseite laufen bereits.
Vor allem aber will VW seine grösste Schwäche beheben – zu geringe Profitabilität. Ab 2023 soll die Rendite mindestens sechs Prozent betragen. Dazu wird auch die Verbrenner-Modellpalette ausgedünnt. Während Volumenmodelle wie Golf und Tiguan Nachfolger erhalten sollen, wird der Touran auslaufen. Ob der eben erst aufgefrischte Arteon weiterleben darf, ist noch nicht entschieden.