Eigentlich sind Pickups wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Hierzulande Nischenprodukte, spülen sie global richtig Kohle in die Kassen. Bei Mitsubishi zum Beispiel bestritt der L200 zeitweise ein Sechstel der Produktion, aber ein Drittel der Einnahmen. Aber das funktioniert nicht immer: Für die X-Klasse, seit November 2017 der Mercedes unter den Pickups, läufts nicht. Nur 16'700 Stück sollen 2018 in Europa, Australien und Südafrika verkauft worden sein. Nur zum Vergleich: Allein in Thailand setzt Toyota jährlich fast zehnmal so viele Hilux ab, weltweit verkaufen die Japaner jährlich rund 550'000 Stück des globalen Bestsellers dieser Liga.
Gemäss Insidern zieht Mercedes bald die Reissleine und stellt die X-Klasse wohl nach nicht mal zwei Jahren ein. Auf BLICK-Anfrage geht Mercedes Schweiz nicht aufs Gerücht ein, doch teilt der Schweizer Mercedes-Vans-Marketingchef Dirk Beneditz mit: «Wir überprüfen kontinuierlich unser Produktportfolio, um unseren Kunden die passenden Produkte anbieten zu können.» In der Preisliste steht derzeit nur beim V6 ein Tarif (ab 54'380 Fr.), bei den kleineren X «ab 1. Quartal 2020». Das Branchenmagazin «Automobilwoche» (D) zitiert zur Aus-Meldung einen ungenannten Daimler-Manager: «Es ist gut, dass wir in einer solchen Situation frühzeitig die Reissleine ziehen und nicht mehr jahrelang festhalten.» Also lieber so konsequent reagieren wie etwa damals beim A-Klasse-«Elchtest», auch wenns schmerzt.
Profitabler Markt, viel Konkurrenz
Woran liegts? Auf den wichtigsten Pickup-Märkten in Afrika und Asien, Mittel- und Südamerika herrscht enormer Konkurrenzdruck: Ausser Etablierten wie Ford Ranger, Mitsubishi L200, Nissan Navara oder Toyota Hilux wollen Neulinge wie der L200-Klon Fiat Fullback, der Navara-Bruder Renault Alaskan oder der schon etablierte VW Amarok ihren Teil vom Absatzkuchen. Zudem machte die X-Klasse mit Rückrufen Ärger. Vor allem aber liegt sie ausser als V6-Topdiesel (258 PS) spürbar zu nahe am Technikbruder Navara von Kooperationspartner Nissan-Renault – und ist schlicht zu teuer für den höchst preissensiblen Markt.
Teuer in Süd-, klein in Nordamerika
Im Februar soll Ex-CEO Dieter Zetsche angeblich die Südamerika-Produktion bei Nissan Argentinien abgesagt haben. Ausgerechnet – denn nach Südamerika hatte Mercedes 2017 zu ersten X-Probefahrten geladen. «Der Pickup lässt sich preislich und kostenseitig in den lateinamerikanischen Märkten nicht darstellen», wird in Meldungen Ex-Daimler-Finanzchef Bodo Uebber zitiert. Und die USA? Für die wäre die X-Klasse zu klein, und so gerne US-Präsident Donald Trump über europäische Zollhürden schimpft, so sehr erheben die USA seit 1963 den 25-prozentigen Strafzoll auf Import-Pickups, die als Landwirtschafts-Produkte eingestuft unter der sogenannten «Chicken Tax» fallen. Auch darum kann Ford pro US-Bestseller-Pickup F-150 angeblich 13'000 US-Dollar pro Verkauf einsacken.
Auch der SLC könnte dahingehen
Die X-Klasse dürfte nicht das letzte Opfer bleiben: Zwar hat Zetsche seinem Nachfolger Ola Källenius einen Erfolgsladen hinterlassen, aber derzeit muss Daimler Gewinnwarnungen vermelden. Die Dieselkrise und Milliardenausgaben für die Elektromobilität belasten alle Hersteller. Viel schlimmer noch: Zurückgehende Absatzzahlen rund um den Globus deuten bereits auf eine Art Weltautokrise hin. Angeblich steht schon das nächste Opfer fest: Gerüchten zufolge soll der kleine Roadster SLC (Ex-SLK) nächstes Jahr ohne Nachfolger auslaufen.