So läuft die Mille Miglia 2024
Oldtimer-Rallye oder Marketing-Event?

Nirgends lässt es sich so gut von der guten alten Autozeit träumen wie an der legendären Rallye Mille Miglia, die am 15. Juni endete. Doch was ist dieser Revival-Event des Strassenrennens von einst heute – Oldtimer-Event oder Mega-Marketing-Show?
Publiziert: 15.06.2024 um 16:04 Uhr
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Vom 11. bis 15. Juni geht in diesem Jahr wieder die Mille Miglia zu Ende, Revival des bis 1957 auf Zeit ausgetragenen Strassenrennens.
Foto: Mercedes-Benz AG
Stefan Grundhoff

Die automobile Realität ist längst auch in Italien angekommen. Mit stattlichen Subventionen versucht die italienische Regierung, den Autofahrern Lust auf die Elektromobilität zu machen. Ganz einfach ist das nicht, denn die meisten Autos auf dem italienischen Markt sind preiswerte Klein- und Kompaktwagen – oft sogar noch älteren Baujahrs.

Da tut der Umstieg auf ein neues Modell mit Stecker im Geldbeutel weh. Und die Stromversorgung vieler Regionen ist auf eine nennenswerte Zahl von Schnellladesäulen nebst Abnehmern gar nicht vorbereitet. Der Lancia Ypsilon als eines der meistverkauften Fahrzeuge der vergangenen Jahre verteuert sich in seiner neuen Generation von bisher knapp 15'000 Euro Marktpreis um fast 8000 Euro – inklusive aller Subventionen. Der Elektro-Anteil im italienischen Automarkt kriecht bei rund drei Prozent herum.

Grüne Mille mit Stromern

Ein neuer Lancia Y ist auch bei der Mille Miglia Green dabei. Die geht am Samstag ebenso wie der Revival-Event der klassischen Mille Miglia (11. bis 15. Juni) zu Ende. Die Mille Miglia Green kann als Rohrkrepierer gelten. Denn während die Zahl der historischen Mille-Miglia-Teilnehmenden trotz eines stattlichen Startpreises von über 12'000 Euro auf weit über 400 Teilnehmer erhöht wurde und lange Wartelisten existierten, starteten beim grünen Öko-Ableger des Jahres 2024 gerade einmal sieben Fahrzeuge mit Stecker.

Der Grund liegt für viele Autofans auf der Hand. «Die Elektroautos haben hier nichts bei der Mille Miglia zu suchen», sagt Thomas Kempner. Der Schweizer besucht jedes Jahr zur Mille-Zeit seine Freunde in Brescia und verbringt viel Zeit an der Strecke: «Was soll das? Wir wollen die historischen Rennwagen sehen.»

Die Geschichte der Mille Miglia

Am 26. März 1927 fiel zum ersten Mal der Startschuss für 77 Wagen. Das Rennen gewann ein OM 665 «Superba» mit den Werksfahrern Ferdinando Minoia (1884–1940) und Giuseppe Morandi (1894–1977). Am 1. Mai 1955 startete Stirling Moss (1929–2020) mit der Startnummer 722 in einem Mercedes 300 SLR und erreichte nach 10:07:14 Stunden das Ziel. Mit durchschnittlich 157 km/h raste niemand jemals schneller an der Mille Miglia. Doch auch kleine Touren- und Kleinstwagen starteten einst an der Rallye, und waren teils mehr als 20 Stunden unterwegs – mit Start noch vor Mitternacht und Ankunft im Dunkeln. Nach einem schweren Unfall, bei dem neun Zuschauer (darunter fünf Kinder) und die beiden Piloten am Steuer ihres Ferraris starben, fand die Mille Miglia 1957 zum letzten Mal statt und wurde in der damaligen Form verboten. Seit 1977 findet jährlich die Mille Miglia «Storica» mit historischen Fahrzeugen statt, die einst beim Originalformat gestartet sind. Hierbei geht es nicht mehr um Geschwindigkeit, sondern um Gleichmässigkeit, Zuverlässigkeit und das Reiseerlebnis als solches.

eb.andriuolo

Am 26. März 1927 fiel zum ersten Mal der Startschuss für 77 Wagen. Das Rennen gewann ein OM 665 «Superba» mit den Werksfahrern Ferdinando Minoia (1884–1940) und Giuseppe Morandi (1894–1977). Am 1. Mai 1955 startete Stirling Moss (1929–2020) mit der Startnummer 722 in einem Mercedes 300 SLR und erreichte nach 10:07:14 Stunden das Ziel. Mit durchschnittlich 157 km/h raste niemand jemals schneller an der Mille Miglia. Doch auch kleine Touren- und Kleinstwagen starteten einst an der Rallye, und waren teils mehr als 20 Stunden unterwegs – mit Start noch vor Mitternacht und Ankunft im Dunkeln. Nach einem schweren Unfall, bei dem neun Zuschauer (darunter fünf Kinder) und die beiden Piloten am Steuer ihres Ferraris starben, fand die Mille Miglia 1957 zum letzten Mal statt und wurde in der damaligen Form verboten. Seit 1977 findet jährlich die Mille Miglia «Storica» mit historischen Fahrzeugen statt, die einst beim Originalformat gestartet sind. Hierbei geht es nicht mehr um Geschwindigkeit, sondern um Gleichmässigkeit, Zuverlässigkeit und das Reiseerlebnis als solches.

Show, nicht Rennen

Deshalb ist die Neuauflage der historischen Mille Miglia von Brescia nach Rom und wieder zurück auch in diesem Jahr ein wahrer Publikumsmagnet. Zwar haben einige Ortschaften der Mille längst die Durchfahrtsgenehmigung entzogen. Denn obwohl sie als Gleichmässigkeitsrallye – es geht nicht um die schnellste Zeit, sondern um eine Zeit möglichst nahe einer Soll-Zeit – ausgetragen wird, wähnen sich manche an einem echten Strassenrennen und fahren entsprechend. Dennoch sind Teilnehmer und Publikum der Oldtimerrallye zwischen Brescia und Rom gleichermassen angetan.

Am Strassenrand wird gejubelt, Kinder winken mit Mille-Flaggen und wenn die Sonne scheint, herrscht für einige Stunden Volksfestcharakter – Tramezzini, Espresso und Dolce inklusiv. Wer auf Old- oder Youngtimer steht, selbst einen Klassiker besitzt und sich für Autos begeistern kann, sollte die Mille Miglia mindestens einmal im Leben besucht haben.

Fünf Tage durch Italien

Die meisten, die einmal kamen, kommen immer wieder, denn die Atmosphäre gilt trotz zahlreicher ähnlicher Veranstaltungen als einmalig auf der Welt. Bella Italia auf vier Rädern eben – allerdings mittlerweile allzu lang auf fünf Tage ausgewalzt, um Städte wie Turin, Lucca, Viterbo oder Siena zu durchfahren. Nicht ohne bekannte Locations wie den Passo de la Futa oder den Garda zu passieren.

Viele der teilnehmenden Klassiker – sie alle mussten bei der historischen Mille-Miglia-Rallye von 1927 bis 1957 startberechtigt sein – sind millionenteuer. Sammler aus Europa, Asien und den USA gedulden sich oft über Jahre, ehe der eigene Klassiker endlich das Placet der ertragsorientierten Veranstalter bekommt. Grandiose Alfa Romeo 6C, spektakuläre Flügeltürer Typ Mercedes 300 SL, Fiat 508 C, Bentley Blower oder BMW 328 – bei diesen Kunstwerken auf schmalen Rädern kommt man ins Schwärmen.

Spektakuläre Autos

Wo sonst startet Ex-DTM-Champion Nicola Larini (60) in einem spektakulären Alfa Romeo 1900 Sport Spider von 1954 oder wer hat mit dem 1930er Mercedes Super-Sport der Baureihe W 06 schon einmal ein Fahrzeug des Maharadschas von Kaschmir zu Gesicht bekommen? Der elegante Kompressor-Viersitzer erinnert an den Sieg von Rudolf Caracciola bei der 1931 Mille Miglia im SSKL.

Mit der Idee der Mille Miglia Green als Marketing-Show für neue Stromer ist deren Veranstalter allerdings gescheitert.

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