Ein Blick nach rechts, ein Blick nach links in die Autos neben mir. Völlig entspannt scheinen die Menschen hinter dem Steuer – wohl behütet von Radarsensoren, Kameras und Assistenzsystemen. Ich dagegen werden immer unruhiger. Denn dieses Auto hier hat weniger Tasten und Anzeigen als die Klimaanlage eines Neuwagens. Das Lenkrad bewegt sich beim Geradeausfahren mehr, als mir lieb ist, einen Drehzahlmesser suche ich vergebens und nachdem ich realisiere, dass im filigranen Lenkrad ganz sicher kein Airbag stecken kann, nehme ich lieber ein wenig Tempo raus. Immerhin gibts einen Tacho.
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Geburt einer Legende
Willkommen in der Autowelt von 1974. Mit sowas wagte sich die Generation meiner Eltern damals in den Verkehr. Und zwar nicht nur die ganz Tollkühnen, sondern Hinz und Kunz: Denn der VW Golf der ersten Generation, der bei 120 km/h sich gerade so langsam seinem Limit nähert, spurtete an die Spitze der Verkaufsstatistiken Europas. Eines der beliebtesten und erfolgreichsten Modelle aller Zeiten. Dessen Radio in der Basis zu recht eine Option war – der Motor dröhnt so laut, dass ich nicht einmal meinen Beifahrer verstehe. Aber vergleicht man ihn mit Modellen von damals, war der Golf eine Revolution.
Anfang der 1970er-Jahre steckte VW in der Krise und kämpfte mit den Verlusten, die der altersschwache Käfer dem Unternehmen eingebrockt hatte. Der Golf als erste umfassende Neuentwicklung seit Jahrzehnten brachte dann eine vom Konzern kaum erwartet Innovation. Statt auf luftgekühlte Heckmotoren wie bisher, setzte man neu auf einen Frontmotor mit Wasserkühlung. Am Design versuchte sich zunächst Porsche, doch da die Prototypen weder volksnah, noch günstig gerieten, richtete VW den Blick nach Italien: Auftritt Giorgio Giugiaro (85). Der spätere Stardesigner schuf einen Golf mit Ecken und Kanten, an dem bis heute niemand vorbeischauen kann.
Ausfahrt im Golfsrudel
Und sobald der Tacho unter 100 fällt, fährt sich der Golf auch heute noch angenehm. Via Autobahn sind wir der Wiener Innenstadt entflohen und in Richtung Steiermark durch österreichische Nationalparks auf Landstrassen unterwegs. Nach zwei Stunden Fahrt gehts auf den Rastplatz – zum Generationenwechsel. Denn wir sind auf Zeitreise durch alle acht Generationen von VWs Bestseller. Die Old- und Youngtimer in Top-Zustand stehen sonst in der Classic-Sammlung von Volkswagen, aber zum 50. Golf-Geburtstag bekommen sie nun Auslauf.
Die Weiterfahrt im Golf II gestaltet sich schon gemütlicher. Mehr Platz, komfortables Fahrwerk und, wie ich anfangs denke, endlich ein Drehzahlmesser. Auf den zweiten Blick entpuppt er sich allerdings als Uhr. Dank mehr PS lässt sich der Zweier sportlicher fahren, aber so richtig getraue ich mich das erst, als wir wenig später im Golf III sitzen und den wohl beruhigendsten aller Schriftzüge im Auto lesen: Airbag.
Sportlich ohne GTI
Ab 1991 wurde der Golf nicht nur sicherer, sondern auch aerodynamischer. Die kantige Optik der ersten zwei Generationen wurde abgerundet und der Luftwiderstandswert im Vergleich zur ersten Generation von 0,43 auf 0,3 massiv gesenkt. So geht es merklich zügiger um die Kurven, doch dem Golf IV, der vor uns durch die Landschaft fährt, kommen wir nicht hinterher. Beim nächsten Halt wissen wir dann auch, warum: Auf dem Heck der nächsten Generation prangt der Schriftzug V6. Das erklärt das breite Grinsen, dass sein Fahrer nach dem Aussteigen im Gesicht trägt.
Und dann gehts auch für uns los, mit über 200 PS dank Sechszylinder, sechs Gängen und Allradantrieb. Der Vierer beeindruckt mit seiner unglaublichen Sportlichkeit, und das ganz ohne GTI-Schriftzug. Kein Wunder, dass in dieser Generation mit dem Topmodell R32 auch die Ur-Version des heutigen Golf R geschaffen wurde.
Seine Existenz verdankt er einer Geheimoperation. Viele VW-Manager glaubten nicht an den Golf-Erfolg. Wieso dann für viel Geld eine Sportversion entwickeln? Einige Ingenieure tüfteln 1974 dennoch – nach Feierabend. Als sie den Vorstand handstreichartig überzeugen, gehts ganz schnell: Im Jahr 1975 ist Weltpremiere des Golf GTI mit 110 PS (81 kW) bei 810 Kilogramm Gewicht, ab 1976 wird ausgeliefert. Zwei Jahre nach Golf-Start trifft er den Nerv der Zeit als erschwinglicher Sportwagen mit Alltagstalenten. Die geplant 5000 Exemplaren sollen wenigstens die Kosten einfahren, doch es kommt anders: Die erste Generation verkaufte sich schlussendlich 461’690 Mal! Seitdem ist der GTI fester Bestandteil im Golf-Programm – auch wenn er leistungsmässig seit 2002 vom Golf R in den Schatten gestellt wird.
Seine Existenz verdankt er einer Geheimoperation. Viele VW-Manager glaubten nicht an den Golf-Erfolg. Wieso dann für viel Geld eine Sportversion entwickeln? Einige Ingenieure tüfteln 1974 dennoch – nach Feierabend. Als sie den Vorstand handstreichartig überzeugen, gehts ganz schnell: Im Jahr 1975 ist Weltpremiere des Golf GTI mit 110 PS (81 kW) bei 810 Kilogramm Gewicht, ab 1976 wird ausgeliefert. Zwei Jahre nach Golf-Start trifft er den Nerv der Zeit als erschwinglicher Sportwagen mit Alltagstalenten. Die geplant 5000 Exemplaren sollen wenigstens die Kosten einfahren, doch es kommt anders: Die erste Generation verkaufte sich schlussendlich 461’690 Mal! Seitdem ist der GTI fester Bestandteil im Golf-Programm – auch wenn er leistungsmässig seit 2002 vom Golf R in den Schatten gestellt wird.
Nostalgie pur
Die meisten wechseln nach der Ausfahrt mit dem Vierer nur ungern zum Golf V. Obwohl auch ich den Schlüssel nur zögerlich hergebe, freue ich mich speziell auf die fünfte Generation. Mit Geburtsjahr 1997 war für mich der Golf immer schon da und allgegenwärtig. In meinen ersten 18 Lebensjahren bis zum Führerausweis stand er stets ganz oben in der Verkaufsstatistik. Und ein Fünfer war lange Zeit unser Familienauto. Als er fast 150’000 Kilometer auf dem Buckel hatte, lernte ich mit ihm noch das Fahren. Das verbindet: Vor lauter Nostalgie vergesse ich fast, wie viel Spass der Vorgänger machte.
Ankunft in der Moderne
Ab dem Golf VI wird der Generationensprung dann merklich kleiner. Verständlich: Was schon gut war, musste nicht neu erfunden werden. Die neue Technik macht sich mit etlichen Assistenzsystemen breit – kein Vergleich mit dem kargen Ur-Golf. Im Golf VII feiern wir die USB-Buchsen, denn die Akkus unserer Smartphones, die in den älteren Modellen als Navi herhalten mussten, gehen rasant zur Neige.
Den Abschluss bildet die Spezial-Edition Rabbit des aktuellen Golf VIII. Sie geht auf den ersten Golf zurück, der in den USA als Rabbit – englisch Hase – verkauft wurde. Denn den Namen Golf assoziierten die US-Amerikaner mit dem High-Society-Sport – zu nobel und abgehoben für die angepeilte Zielgruppe. Jetzt erinnert ein kleiner Hasen-Badge an die Anfänge. Nach weltweit über 37 Millionen verkauften Exemplaren.