Volles Verwöhnprogramm in Luxushotels
Wellness fürs Auto

Je hochklassiger das Hotel, desto besser der Service. Das gilt auch für die Autos der Gäste. Portiers betreuen die edlen Karossen in der Parkgarage – und schauen dabei auch oft tief ins Leben der Eigner.
Publiziert: 24.08.2022 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2022 um 10:53 Uhr
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In Luxushotels werden die Gäste schon vor dem Eingang im Auto empfangen.
Foto: Christian Grund
Martin A. Bartholdi

«Dreh ruhig eine Runde!» Kauft sich die Kollegin oder ein Freund ein neues Auto, nimmt man das Angebot gern an. Doch Matteo Gelmi lächelt nur und nimmt den Schlüssel des 170 000 Franken teuren Elektro-Porsche Taycan Sport Turismo entgegen. «Klar reizt es mich», gibt der 38-jährige Italiener in der adretten Uniform zu, «aber das kommt gar nicht infrage!»

Matteo arbeitet seit vier Jahren als Page im Kulm Hotel in St. Moritz GR. Für dessen Gäste ist er der erste Kontakt bei der Ankunft. Er öffnet ihnen die Tür, wenn sie vorfahren, geleitet sie zur Drehtür und kümmert sich ums Gepäck. Und danach – versorgt er das Fahrzeug in der Tiefgarage.

Die Autos der Anderen

Nicht ganz günstige Autos wie der Porsche Taycan gehören zu Matteos Alltag. Ob McLaren oder Lamborghini, Bugatti oder Rolls-Royce: Er fährt jene Modelle, von denen die meisten nicht einmal zu träumen wagen. Der Haken dabei: Er kriecht nur. Auf den wenigen hundert Metern in die Tiefgarage rollen die Autos im Standgas. «Manchmal würde ich auch gern richtig Gas geben», räumt Gelmi ein.

Aber 18 Jahre Berufserfahrung, Pflichtgefühl sowie Vernunft halten ihn davon ab. «Privat fahre ich einen Fiat. Ich bin die Leistung dieser Autos gar nicht gewöhnt.» Sein Favorit? «Mercedes!» Denn Luxus lässt sich auch auf den wenigen hundert Metern in die Tiefgarage ein wenig geniessen.

Keine Wahl

Ganz gleich wie hochpreisig, rar oder auch schmutzig das Auto – Matteo setzt sich ans Steuer. «Das ist mein Job! Ich kann ihn nicht einfach an einen meiner Kollegen delegieren.» Auch wenn allen Portiers die Berufsehre ein hohes Gut ist, sind ältere Kollegen froh, wenn er bei Autos wie dem Porsche Taycan für sie einspringt. «Elektroautos erinnern eher an ein Videospiel als ein Fahrzeug. Sie zu starten, die Parkbremse zu lösen oder das Ladekabel abzuziehen, ist für manche Kollegen noch neu.»

Matteo gefallen Elektroautos grundsätzlich, aber der fehlende Sound macht ihm Sorgen. «Niemand hört das Auto. Ich muss also noch aufmerksamer sein.» Denn um den Haupteingang des «Kulm» herrscht fast immer ein reges Treiben, da sich das Hotel im Zentrum von St. Moritz befindet.

Keine Warteschlange

Da hat es Kristijan Sabadin als stellvertretender Chef-Concierge im Grand Hotel des Bains Kempinski etwas ruhiger. Es liegt etwas ausserhalb an einer Parkanlage mit separater Zufahrt. Als Kristijan vor acht Jahren zum zweiten Mal in die Dienste des «Kempinski» trat, wartete auch er vor der Tür auf Kundschaft. Jetzt hat der 35-jährige Slowene seinen Arbeitsplatz zwar drinnen am Empfang, aber kümmert sich weiterhin ab und an um die Autos der Gäste.

Gerade in der Hochsaison, wenn Warteschlangen drohen, weil zahlreiche Gäste gleichzeitig eintreffen. So tritt er hinaus, um ein Lexus LC Cabrio in Empfang zu nehmen und es wegzubewegen, damit der nächste Gast vorfahren kann.

Peinliche Momente

Trödeln ist dabei nicht angesagt, aber es ist ihm wichtig, sich mit dem Auto vertraut zu machen, um sicher fahren zu können. Peinliche Stolperfallen gibt es genug – nicht nur bei Oldtimern mit Choke, Kurbel oder – hakeliger Handschaltung. «Bei Autos mit englischer Zulassung kann es vorkommen, dass wir in der Hektik aus Gewohnheit links einsteigen und dann das Lenkrad suchen», gesteht Kristijan. Meist merkts niemand, aber es gibt auch Malheure, die jeder in der Umgebung mitbekommt. «Wenn vor dem Haupteingang plötzlich die Alarmanlage des Autos losgeht, ist das etwas peinlich», gesteht Sabadin.

Meistens ist das allerdings nicht seine Schuld: «Dann hat der Besitzer vergessen, uns über die Alarmanlage zu informieren. Oder zu verraten, wie wir sie abschalten können.» Das sei aber eher bei älteren Autos der Fall. Bei manchen besonders wertvollen klassischen Automobilen ist gar ein geheimes Startprozedere nötig. «Da müssen wir dann auf die Bremse treten und gleichzeitig diesen Knopf drücken und jenen Hebel ziehen, damit der Wagen überhaupt anspringt», berichtet Sabadin. Meistens drücke ihm der Besitzer einen Zettel zum Prozedere in die Hand.

Totz der Hektik sind Schäden glücklicherweise selten – und bei einigen Kunden ist das auch besser so. «Wir wissen genau, wer es eher gelassen nimmt und wer den Chef markieren muss», plaudert Kristijan aus dem Nähkästchen. Thema erledigt – er stöpselt den elektrischen BMW iX an der Wallbox ein.

Die Schattenseiten der Luxusautos

Die Fünfsternehotels bieten ein Rundum-sorglos-Paket für die Fahrzeuge ihrer Gäste: Parkieren, Laden und auf Wunsch auch Reinigung – innen wie aussen. Die Innenreinigung ist eine der undankbarsten Arbeiten. «Manche dieser wundervollen Autos werden nicht wertgeschätzt», findet Matteo. «Da bleibt der ganze Abfall liegen.» In einigen Autos stinkt es regelrecht – meistens bei Hundebesitzerinnen oder Rauchern.

Auch Nobel-SUVs von Familien mit Kindern seien keine Freude. Ledersitze und Teppichböden zeugten vom Reiseproviant des Nachwuchses. «Einmal mussten wir ein Auto vier Stunden lang putzen», erinnert sich Sabadin. «Drei Kinder hatten sich an Chips und Keksen zu gütlich getan – und dann wurde ihnen schlecht.» Fälle, wo selbst Fünfsternehotels einen ordentlichen Zuschlag verrechnen.

Fast ein Traumjob

Zu den schöneren Aufgaben gehört das Care-Angebot. Dann dürfen die Portiers die Luxusautos zum Service in die Werkstatt fahren – für einmal mehr als nur ein paar hundert Meter. Einige Gäste stellen ihr Auto gleich fürs ganze Jahr in der Hotel-Tiefgarage ab. Und die Portiers halten sie sauber und in Top-Zustand. Ein Traumberuf für Autofans? «Ja, wir steigen in Autos, die andere nur in Magazinen sehen», sagt Kristijan. Doch es wiederhole sich auch.

Deshalb pickt sich Sabadin inzwischen die Juwelen heraus, wie einen limitierten Ferrari 275 von 1968. «Solche Autos sind Kunst. Ich erfuhr erst danach, dass er einen Wert von 20 bis 25 Millionen Franken hat.» Die PS-starken modernen Boliden überlässt er gern den Kollegen. Nur den Pagani Huayra neulich hätte Kristijan gern einmal um den Block gefahren. Solche Angebote werden oft ausgesprochen. «Ich muss mich nur etwas für das Auto interessieren …», weiss Sabadin und ergänzt augenzwinkernd: «Ganz selten bin ich tatsächlich schon eine Runde mit Gästeautos gefahren. Aber sehr diskret. Und immer mit dem Besitzer als Beifahrer.»

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