Paul ist tot. Er starb am 9. November 1966 auf der M1 zwischen London und Birmingham. Vielleicht aber auch erst am 7. Januar 1967. Blödsinn? Kann man heute noch auf Wikipedia nachlesen. Die Meldung, dass Paul McCartney (80) einem Verkehrsunfall zum Opfer fiel und durch einen Doppelgänger ersetzt wurde, war jedenfalls stark genug, dass sie unter Beatles-Fans über Jahrzehnte diskutiert wurde. Die Langlebigkeit des Hoax hat nicht nur mit der Beliebtheit von Verschwörungstheorien zu tun, sondern auch damit, dass der «Paul is dead»-Legende eine durchaus nachvollziehbare Logik zugrunde lag. Denn die Rockstars der 1960er und 1970er liebten das Auto. Aber das Auto liebte sie nur selten zurück. Anders gesagt: Es krachte einfach dauernd bei John Lennon, Mick Jagger und Co.
John Lennon (1940–1980) galt als lausigster Autofahrer der ohnehin nicht mit diesem Talent gesegneten Beatles-Truppe. Die Fahrprüfung bestand er erst 1965, lange nach dem ersten Karrierehöhepunkt und mit beträchtlichem Promi-Bonus. Wohl von einer gewissen Euphorie befeuert, legte sich der Verkehrsfrischling als erstes Gefährt ausgerechnet einen azurblauen Ferrari 330 GT zu – damals mit seinem Vierliter-V12 eines der schnellsten Autos der Welt. Es dürften überwiegend einsame Ausfahrten gewesen sein, denn keiner seiner Bandkollegen traute sich mitzufahren.
Sportwagen als Revoluzzer-Pose
Aber im Grunde konnte John Lennon gar nicht anders. Schliesslich hatten sich Paul McCartney, George Harrison (1943–2001) und der befreundete Mick Jagger (78) für das gerade aktuelle Bond-Spielzeug Aston Martin DB5 beziehungsweise DB6 entschieden, Ringo Starr (81) fuhr gar einen königlichen Facel Vega. Heute belächeln wir Gangsta-Rapper in ihrem Wettstreit um den goldigsten Mercedes G mit den dicksten Felgen. Aber schon damals ging es klar um Statussymbole. Die Protagonisten der britischen Popkultur kamen allesamt aus der untersten Arbeiterklasse. Der Besitz eines exorbitant teuren Sportwagens durfte durchaus als Teil der Auflehnung gegen das britische Establishment verstanden werden. Frei nach dem Motto: Seht her, was ich habe! Das Ding bedeutet mir zwar nichts, aber ich kann es mir leisten.
Karriere rückwärts: Vom Ferrari zum Austin
Dass bei John Lennon der Ferrari-Kauf nicht aus tiefster Leidenschaft passierte, zeigte sich spätestens mit dem Tod von Tara Browne (1945–1966) kurz vor Weihnachten 1966. Der adelige Guinness-Erbe und Freund der Beatles und Stones knallte seinen frisch erworbenen Lotus Elan im Nobelviertel South Kensington in einen Lichtmast. Geschätzte Geschwindigkeit: über 100 Meilen. Die erste Strophe des Beatles-Songs «A Day in the Life» soll Brownes Unfalltod gewidmet sein: «He blew his mind out in a car. He didn’t notice that the lights had changed.»
Kurz danach verkaufte John Lennon seinen Ferrari und stieg auf ein nicht weniger standesgemässes, aber für ihn passenderes Gefährt um: einen Rolls-Royce Phantom V. Und weil die Beatles gerade auf dem Selbstfindungstrip waren, wurde der Staatskarosse eine psychedelische Lackierung in Gelb verpasst. Trotz des nun vollzeitbeschäftigten Chauffeurs entgingen die Beatles ihrem autofahrerischen Karma nicht. Im Juli 1969 wollte John Lennon mit Yoko Ono (89) und den beiden Kindern in einem Austin Maxi nach Schottland. Der hoch nervöse Autofahrer Lennon fuhr auf den schmalen Strassen bei Gegenverkehr in den Graben, die ganze Familie musste nach dem Crash in ärztliche Behandlung. Am schlimmsten erwischte es Yoko Ono: Sie war bis zum Produktionsstart des Albums «Abbey Road» noch nicht genesen und liess sich deshalb im Studio ein Bett aufstellen, um die Aufnahmen zu überwachen. Die daraus entstehenden Zwistigkeiten werden als Anfang vom Ende der Fab Four gesehen.
Crashs im Kreisel
Im Februar 1972 war dann George Harrison fällig: Auf dem Weg zu einer Party fuhr er mit seinem Mercedes 280 SE in einem Kreisverkehr konsequent geradeaus. Harrison trug vom Crash eine Kurzhaarfrisur davon (eine Platzwunde musste rasiert und genäht werden), seine damalige Frau Pattie Boyd (78) – später Frau des noch autoverrückteren Eric Clapton (77) – landete gar auf der Intensivstation.
Überhaupt, die Beatles und der britische Kreisverkehr: Wenige Jahre später passierte Ringo Starr Ähnliches. Auch er verlor in einem Kreisel die Kontrolle über seinen Mercedes 280 SE 3,5 Coupé und überschlug sich. Der Drummer und sein Bond-Girl Barbara Bach (74) blieben unverletzt und nahmen die Sache mit Humor. Sie verarbeiteten das traumatische Erlebnis, indem das Wrack zu einem Würfel gepresst wurde und fortan das Wohnzimmer dekorieren durfte.
Lieber gleich zwei Exemplare kaufen
Wenn wir gerade bei Souvenirs aus Blech sind: Keith Moon (1946–1978), Schlagzeuger von The Who, nebenbei Chef-Spassvogel des Britpop und unangefochtener Weltranglistenerster unter den Hotelzimmer-Zerstörern, wurde eines Abends in seinem Lieblingspub von Jugendlichen gefragt, ob sie nicht seinen Ferrari Dino ausprobieren dürften. Natürlich durften sie! Nach einer Weile brachten die Burschen den Schlüssel brav zurück und verschwanden in der Nacht. Zur Sperrstunde will Keith Moon ein kaum mehr fahrbares Wrack vorgefunden haben. Aber vielleicht lief alles ja ganz anders. Schliesslich war es die Zeit von Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll – und das Geschäft der Londoner Luxusautohändler lief sicher auch deshalb so gut, weil sich kaum jemand um Alkohol am Steuer scherte und Drogenschnelltests noch nicht erfunden waren.
Manchmal führte aber einfach nur das Zusammenspiel aus purem Temporausch und eingeschränkter Virtuosität an der Fahrzeugpedalerie zu schlimmen Blechschäden. Miles Davis (1926–1991) galt als glühender Fan des Lamborghini Miura, damals unumstritten schönster und schnellster Sportwagen der Welt. Nachdem er sein gerade erst eingefahrenes Modell zerlegt hatte, soll er noch während seines Spitalaufenthalts einen neuen bestellt haben. Vielleicht ein Grund, warum Rod Stewart (77) in den 70ern gleich zwei davon in seiner Garage stehen hatte (selbstverständlich neben mehreren Ferrari).
Chauffeur für den Drogenrausch
Keith Richards (78) galt über Jahrzehnte als Chefnarkotiker des Popbusiness, war aber immerhin schlau genug, diesem Umstand in Mobilitätsangelegenheiten Rechnung zu tragen. Der Stones-Gitarrist schaffte sich früh einen Bentley S2 – sozusagen das sportive Gegenstück zum Beatles-Phantom – samt Chauffeur an. Die Sonderausstattung wurde den persönlichen Vorlieben angepasst: Es gab einen Plattenspieler im Handschuhfach und ein üppig dimensioniertes Geheimfach für Rauschmittel aller Art.
Aber natürlich sind da auch Musiker, die ganz abseits von Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll einfach nur die pure Leidenschaft fürs Automobil pflegen. Ganz oben auf dieser Liste steht Nick Mason (78). Er pflegte sein Hobby, schon lange bevor die Preise der wahren Raritäten in astronomische Höhen stiegen. Seinen Ferrari 250 GTO kaufte er 1977 für 37'000 Pfund, heute gilt das Modell als teuerster Oldtimer der Welt und wird mit bis zu 50 Millionen Dollar gehandelt. Mittlerweile besitzt Mason eine erlesene Sammlung, die von alten F1-Autos bis zu aktuellen Supersportwagen reicht – too much to list.
Cadillac-Fan Elvis Presley
In Sachen Leidenschaft folgt Eric Clapton dem Pink-Floyd-Drummer auf den Fersen. Auch seine Ferrari-Sammlung muss keinen Vergleich scheuen. Höhepunkt ist aber, dass sich die Blues-Ikone 2012 in Maranello (I) ein eigenes Modell anfertigen liess. Der Ferrari SP12 EC basiert auf dem 458 Italia, das Design will aber eine Hommage an den 512 BB sein. Preis des massgeschneiderten Einzelstücks: rund vier Millionen Franken.
Wahrscheinlich war aber doch der King der grösste Autofan von allen: Elvis Presley (1935–1977) soll im Lauf seiner Karriere mehr als 100 Cadillacs erworben haben. Die wenigsten davon dürfte er selbst gefahren haben, weil Caddys sein Lieblingsgeschenk an Freunde und Entourage waren. Dazu kamen auch noch eine Menge anderer Modelle – Hauptsache gross und amerikanisch. Nebenher zeigte Elvis Sinn für Exoten: Während seiner Armeezeit in Deutschland fuhr er einen BMW 507, einen Auftritt bei einem US-Autohändler liess er sich mit einem Messerschmitt-Kabinenroller abgelten.
Nur wenn ein Auto zickte, kannte das Arbeiterkind keine Gnade. Der neuen Flamme nach seiner Scheidung von Priscilla (77) schenkte er als Morgengabe einen De Tomaso Pantera, der damals in den USA von ausgesuchten Ford-Händlern angeboten wurde. Was Presley nicht wusste: Die Kombination aus Musclecar-Technik in knappster italienischer Couture galt als ausgesprochen defektanfällig. So passierte es, dass der Frischverliebte mit seiner Freundin ins Kino fahren wollte und der Pantera trotz intensiver Bemühungen nicht ansprang. Elvis, ganz Gentleman, soll zu seiner Begleiterin ganz ruhig gesagt haben: «Liebling, steig doch bitte aus dem Auto.» Dann zog der King seinen Revolver, schoss fünf Mal auf den Pantera, steckte die Knarre wieder weg und holte einen Cadillac aus der Garage.