Ohne sie ist in der Europapolitik nichts zu machen: Die Fundamentalopposition der Gewerkschaften gegen das Rahmenabkommen war mit ein Grund, warum der Bundesrat diese Woche die Gespräche mit der EU beendet hat. Gemäss den Vertretern der Arbeitnehmenden hätte der vorliegende Vertrag den Lohnschutz gefährdet. Entsprechend bejubelte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) den Entscheid des Bundesrats.
Wie Justizministerin Karin Keller-Sutter klarstellte, würden die Sozialpartner und Kantone bei den anstehenden innenpolitischen Diskussionen wieder eine wichtige Rolle spielen. Zugleich stellte sie in Aussicht zu überprüfen, in welchen Bereichen eine einseitige Anpassung ans EU-Recht im Interesse der Schweiz wäre.
Just jene Bereiche, die in den Verhandlungen mit der EU umstritten waren, könnten demnächst also wieder Thema werden. Laut Insidern handelt es sich namentlich um die Acht-Tage-Regel, die Kautionen für ausländische Unternehmen und die Frequenz, mit der solche Unternehmen kontrolliert werden.
Steht den Gewerkschaften – neben der SVP die eigentlichen Sieger der Europadebatte – damit bereits der nächste Kampf bevor? Klar ist: Anders als Aussenminister Ignazio Cassis ist Keller-Sutter bekannt dafür, mit den Sozialpartnern einen guten Austausch zu pflegen. Das zeigte sich bei der Abstimmung zur Kündigungs-Initiative 2020. Damals brachte sie die Gewerkschaften dazu, sich an vorderster Front für ein Nein einzusetzen, und hauchte so der alten Europa-Allianz neues Leben ein. Der Preis dafür war die Einführung einer Überbrückungsrente.
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Der oberste Gewerkschafter, Pierre-Yves Maillard (53), gibt sich denn auch zuversichtlich. «Wir haben mit Bundesrätin Keller-Sutter gute Erfahrungen gemacht», sagt der SP-Nationalrat und SGB-Präsident. Bezüglich Acht-Tage-Regel oder Kautionen sagt Maillard: «Beim Vollzug sind wir immer bereit, konkrete Probleme zu diskutieren.» Allerdings lässt er durchblicken, dass die Gewerkschaften für ein Entgegenkommen in jenen Bereichen Konzessionen vonseiten der Arbeitgeber verlangen; beim Kündigungsschutz von Mitarbeiter-Vertretern zum Beispiel.
Doch während die Gewerkschaften noch ihren Sieg feiern, droht von anderswo her neues Ungemach. Innerhalb der SP nämlich ärgert sich so mancher über das Nein zum Rahmenvertrag –und die Rolle, welche die Gewerkschaften dabei gespielt haben. «Das Wohlwollen für sie war auch schon grösser», bemerkt SP-Aussenpolitiker Fabian Molina (30). Seiner Meinung nach wird es eine «massive Mobilisierung» gegen die Position der Gewerkschaften in der Europafrage geben: Denn während Letztere in den EU-Regeln eine Bedrohung der Arbeitnehmerrechte sehen, hat Co-Parteipräsident Cédric Wermuth noch am Mittwoch die Idee eines EU-Beitritts wieder ins Spiel gebracht.
Die beiden Positionen sind inkompatibel – ein Richtungsstreit damit vorgezeichnet.