Seit rund einem Monat häufen sich in Russland die Proteste von Frauen gegen den Krieg. Die Mütter und Ehefrauen von russischen Soldaten, die Putin (70) für seinen Angriffskrieg in der Ukraine eingezogen hat, fordern vom Kreml Antworten.
Antworten, die Putin allem Anschein nach fehlen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Krieg so viele Opfer fordern würde. Der Unmut der Bürger steigt, besonders bei verzweifelten Eltern, deren Söhne im Krieg fallen.
Um besorgte Mütter zu beschwichtigen, veranstaltete der Kriegsführer am Freitag ein Treffen mit Müttern von russischen Soldaten. Darin behauptete er unter anderem, er teile ihren «Schmerz». Aber: Bei den Frauen handelte es sich nicht etwa um Soldaten-Mütter, sondern um regierungstreue Beamtinnen.
Sie bitten Putin verzweifelt um Hilfe
Dabei setzen sich zurzeit die echten Soldaten-Mütter und Ehefrauen für ihre Männer ein. Sie protestieren auf den Strassen und veröffentlichen kritische Videobotschaften auf Telegram und dem russischen Netzwerk «VKontakte».
So erklärt eine Frau aus einem Gebiet östlich von Moskau, Putin und Verteidigungsminister Schoigu (67) hätten versprochen, nur erfahrene Soldaten an die Front zu schicken. «Unsere Soldaten» hingegen seien unvorbereitet, unbewaffnet und ohne Essen und warmer Kleidung direkt an der Front gelandet, schreibt die «FAZ».
Die Frauen fordern, unerfahrene Männer von der vordersten Front abzuziehen. Eine andere Frau erzählt, dass ihr Sohn im Krankenhaus behandelt werde, nachdem Granatsplitter seinen Kopf verwundet hatten. Er solle jedoch wieder an die Front, sobald sein Zustand es zulasse. Trotz Zensur verbreiteten sich die Rufe der Mütter wie ein Lauffeuer.
«Klären Sie das!»
«Sie sind keine professionellen Soldaten», sagt die Frau aus Wolgorod in dem Video. «Klären Sie das. Wir wissen, dass nur Sie uns helfen können», spricht die Frau im Video Putin direkt an – nur Tage vor Putins Treffen mit den «Müttern».
Olga Tsukanowa ist die Gründerin der russischen Organisation «Rat der Mütter und Ehefrauen» und wurde in den sozialen Netzwerken zum Gesicht der Frauenproteste. «Wladimir Wladimirowitsch, sind Sie ein Mann oder was?», fragte sie in einem Video. Sich öffentlich derart regimekritisch zu äussern, braucht Mut. Die pure Verzweiflung bringt Ehefrauen und Mütter dazu, diesen Schritt zu wagen. Denn mittlerweile ist klar, welche Umstände an der Front herrschen. Mobilisierte werden ohne Ausrüstung und Munition in den Krieg geschickt.
Angst vor «unbequemen Fragen»
Bei Putins inszenierter Show fehlte von den protestierenden Müttern jede Spur – obwohl viele von ihnen noch in Moskau waren und vor den Regierungsgebäuden protestierten. «Haben Sie den Mut, sich mit uns Müttern und Frauen zu treffen und uns in die Augen zu sehen?», fragt Tsukanowa. «Nicht mit den Frauen, die Sie ausgewählt haben, die sie in der Tasche haben. Sondern echten Müttern, die mit ihren eigenen Mitteln aus dem ganzen Land angereist sind», ergänzt sie. Doch Tsukanowa ist sicher, dass sie aus Angst vor «unbequemen Fragen» nicht zum Treffen mit Putin eingeladen wurden.
Die Frauen vom «Rat der Mütter und Ehefrauen» hatten sich bereits am Mittwoch in Moskau zu einer Pressekonferenz getroffen und Vertreter des russischen Verteidigungs- und Innenministeriums eingeladen. Doch keiner der Vertreter ist erschienen.