Seit Wochen harrt Andriy in einem Bunker südwestlich von Bachmut aus. Ständig ist das Donnern von Explosionen zu hören, immer wieder rattern Handfeuerwaffen. Tag für Tag stellt er sich mit seinen Kameraden Hunderten Kämpfern der Wagner-Gruppe entgegen. Ohne Rücksicht auf Verluste werfen die Söldner sich den ukrainischen Verteidigungsanlagen entgegen.
Die beiden ukrainischen Soldaten lassen die Bilder von den Kämpfen nicht mehr los. Andriy erzählt «CNN» von einem nicht enden wollenden Gefecht mit den Wagner-Truppen.
«Wir haben etwa zehn Stunden am Stück gekämpft. Ununterbrochen. Es war, als ob sie nicht aufhörten zu kommen.» Ihre AK-47-Gewehre erhitzten sich durch das ständige Schiessen in Windeseile, ständig mussten sie die Waffen wechseln. «Es waren etwa 20 Soldaten auf unserer Seite. Und, sagen wir, 200 auf ihrer Seite», sagt Andriy.
Sie nehmen hohe Verluste in Kauf
Die mörderische Wagner-Taktik besteht darin, eine erste Welle von Angreifern zu schicken, die meist aus unerfahrenen Rekruten besteht. Oft handelt es sich dabei um Kämpfer, die direkt aus den russischen Gefängnissen rekrutiert wurden.
Vom militärischen Kampf wissen diese wenig, ihre Ausrüstung ist schlecht. Die meisten der Gefängnis-Rekruten hoffen darauf, die in ihren Verträgen festgelegte Einsatzzeit von sechs Monaten zu überstehen, um in Russland begnadigt zu werden.
Stück für Stück arbeiten sich die Angehörigen der Privatarmee so voran. Die hohen Verluste nehmen sie dabei in Kauf, was zählt sind Geländegewinne. Alle 30 Meter würden sich die Söldner eingraben, dann erfolge eine neue Welle. Erst, wenn alle unerfahrenen Kämpfer ausgeschaltet seien, würden die erfahrenen Kämpfer eingreifen.
Nehmen die Wagner-Söldner Drogen?
Andriys Erzählung deckt sich laut «CNN» mit Berichten des ukrainischen Geheimdienstes. Und die Angriffswellen hätten den Ukrainern zu schaffen gemacht. «Unser Maschinengewehrschütze wurde fast wahnsinnig», berichtet Andriy. Er vergleicht den Kampf mit einer Szene aus einem Zombie-Film. «Sie klettern über die Leichen ihrer Freunde und treten auf ihnen herum».
Er geht davon aus, dass die Privatsoldaten vor ihren Einsätzen mit Drogen vollgepumpt werden. Diese Information lässt sich jedoch nicht unabhängig verifizieren.
Für die Ukrainer ist die Taktik brandgefährlich, denn irgendwann geht ihnen die Munition aus. Nur durch Glück konnten Andriy und seine Kameraden aus der Wagner-Todesfalle entkommen.
Was den zahlenmässig unterlegenen Ukrainern laut dem Soldaten hilft, ist ihre Moral. «Die meisten meiner Leute sind Freiwillige. Sie hatten ein gutes Geschäft, sie hatten einen guten Job, sie hatten ein gutes Gehalt, aber sie kamen, um für ihr Heimatland zu kämpfen. Und das macht einen grossen Unterschied.» (nad)