Psychisch gebrochen
Zurückkehrende Wagner-Soldaten sind tickende Zeitbomben

Jene Häftlinge, die ihren Front-Einsatz als Wagner-Söldner überlebt haben, kehren zurück nach Russland. Das wird für das Land zum Problem.
Publiziert: 01.02.2023 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2023 um 11:18 Uhr
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Wer als Häftling von der Wagner-Truppe an die Front geschickt wird – und überlebt – kann nach Hause zurückkehren. (Symbolbild)
Foto: keystone-sda.ch

Sie sind kriminell, vom Ukraine-Krieg traumatisiert – und zurück in Russland: Wagner-Söldner, die aus dem Knast rekrutiert wurden.

Einer von ihnen ist Andrei Jastrebow (22). Er hat eine Haftstrafe wegen Diebstahls verbüsst, wurde für den Krieg rekrutiert. Nun kehrte er als veränderter Mann nach Hause zurück. Das berichtet ein Verwandter der «New York Times».

«Er ist emotionslos»

«Wir haben alle das Gefühl, dass er sich in einer Art Hypnose befindet, dass er ein anderer Mensch ist», sagt der Verwandte. Und weiter: «Er ist emotionslos.»

Jastrebow ist einer jener rekrutierten Wagner-Söldner, die an der Front überlebt haben. Tausende von Straffälligen wurden getötet. Viele waren Kanonenfutter, wurden innerhalb von Tagen oder sogar Stunden nach ihrer Ankunft an der Front getötet. Das sagen russische Menschenrechtsaktivisten und ukrainische Beamte.

Rund 10'000 kehren zurück

Laut der Gefangenenrechtsorganisation «Russia Behind Bars» wurden rund 40'000 Häftlinge aus Gefängnissen entlassen, um in der Ukraine zu kämpfen. Laut Zahlen der Ukraine, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, seien rund 30'000 entweder desertiert oder tot. Das heisst, dass rund 10'000 Ex-Häftlinge mit der Zeit zurück nach Russland kommen.

Wer überlebt, kehrt zurück und muss nicht wieder ins Gefängnis. Die meisten der Rekruten verbüssten Haftstrafen für Delikte wie Raub und Diebstahl.

In Russland ist jetzt «alles erlaubt»

Doch Unterlagen einer Strafkolonie, die der «New York Times» vorliegen, zeigen, dass unter den Rekruten auch Mörder und Vergewaltiger sind. Die Männer sind nun tickende Zeitbomben. «Es gibt keine Verbrechen und keine Strafen mehr», sagt Olga Romanova (51), die Leiterin von «Russia Behind Bars». «Alles ist jetzt erlaubt, und das hat sehr weitreichende Konsequenzen für jedes Land.»

Yana Gelmel, eine russische Anwältin für die Rechte von Gefangenen, sagt: «Das sind psychisch gebrochene Menschen, die mit einem Gefühl der Rechtschaffenheit zurückkehren, in dem Glauben, dass sie getötet haben, um das Vaterland zu verteidigen.» Sie macht klar: «Das können sehr gefährliche Menschen sein.»

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Reiche Rückkehrer werden immer mehr

Zudem haben die Rückkehrer nun vergleichsweise viel Geld. In Videos, die in den sozialen Medien veröffentlicht wurden, versprach der Wagner-Chef und Putin-Verbündete Jewgeni Prigoschin (61) den Gefangenen 100'000 Rubel pro Monat. Das sind umgerechnet etwa 1300 Franken und damit fast das Doppelte des russischen Durchschnittslohns. Ausserdem lockte er mit Tapferkeitsprämien und Begnadigungen durch den Präsidenten.

Laut Medienberichten rekrutiert die Wagner-Gruppe weiter Menschen, die bereit sind zu kämpfen. Das aus einem Pool von rund 350'000 Gefängnisinsassen Russlands. (euc)


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