Die Drohungen sind massiv: Kreml-kritische Kanäle berichten nach dem Absturz von Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (†62) über Söldner, die in sozialen Medien zur Rache an Präsident Wladimir Putin (70) und Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68) aufrufen. «Mach euch auf uns gefasst», ist der Grundtenor.
Ob es wirklich zu Racheakten kommt, ist allerdings fraglich. Andere aktive und ehemalige Wagner-Kämpfer sagen nämlich gegenüber dem in Russland als «unerwünschte Organisation» eingestuften Nachrichtenportal meduza.io, dass nicht viel passieren werde. «Es ist natürlich traurig. Jewgeni war ein seriöser Kerl, wir nannten ihn Papa», wird ein Söldner zitiert, der seit Kurzem in Afrika im Einsatz steht.
Von den Söldnern, die in der Ukraine gekämpft hätten, seien zurzeit viele Leute im Urlaub, andere bauten sich ein neues Leben auf, und wieder andere arbeiteten bereits für das russische Verteidigungsministerium. Der Söldner: «Es ist schon viel Zeit verflossen. Wenn das am 27. Juni passiert wäre, also gleich nach dem Marsch auf Moskau, hätte es eine Reaktion gegeben.»
Söldner wurden verstreut
Ein ehemaliger Kämpfer, der nun für die russische Armee arbeitet, sagte gegenüber dem Portal, dass sich die Aufregung der Söldner in sozialen Medien in zwei Wochen legen werde. Einige der Jungs sässen in Belarus fest, einige seien in Afrika und der Rest sei gleichmässig über das Gebiet der Russischen Föderation verteilt. Er sagt: «Alle wurden im Voraus verstreut – die Führung des Landes hat sich geschützt.»
Prigoschins Flugzeug stürzte genau zwei Monate nach dem von ihm initiierten Marsch auf Moskau ab. «Wir haben alle darauf gewartet», wird ein weiterer ehemaliger Söldner zitiert, der jetzt ebenfalls für die russische Armee kämpft. «Die Frage war nur, wann es passieren wird.» Er sei davon ausgegangen, dass Prigoschin in Afrika umgebracht würde. «Mit dem Marsch hat er sein eigenes Urteil unterschrieben. Er hätte ihn bis zum Ende durchziehen oder gar nicht erst beginnen sollen.»
Standpauke von Putin
Die Wagner-Söldner zeigen sich überrascht, dass Prigoschin so unvorsichtig war. «Er ist selber schuld, er war in ganz Russland unterwegs.» Obwohl es klare Regeln gebe, zum Beispiel, dass die beiden Bosse Prigoschin und Dmitri Utkin (†53) nicht zusammen fliegen dürften, habe man es mit der Sicherheit oft nicht so ernst genommen.
Prigoschins Nachlässigkeit rühre möglicherweise von seinem Besuch im Kreml gleich nach dem Marsch vor zwei Monaten her. «Der Präsident brüllte ihn und die Kommandeure drei Stunden lang an. Er schrie sie regelrecht an», erzählt ein Söldner. Aber: Er habe sie nicht angerührt. Vielleicht habe sich da Prigoschin gedacht, dass Putin sie, wenn nicht gleich, auch später nicht umbringen würde. Der Söldner über Prigoschin: «Er hielt sich für unzerstörbar. Er beschloss, dass er unsterblich sei.»