Mit dem Tod von Jewgeni Prigoschin (†62), seinem Vize Dmitri Utkin (†53) und Alexander Totmin verliert die berüchtigte Wagner-Gruppe einen Teil ihrer Führung. Das kommt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) – ob er jetzt für den Absturz verantwortlich ist oder nicht – gelegen: Schon lange wollte er den aufmüpfigen Prigoschin entmachten und die Söldner, die sich nach dem Rückzug aus der Ukraine grösstenteils nach Belarus zurückgezogen hatten, in die russische Armee integrieren.
Die Frage ist allerdings, ob die Wagner-Kämpfer mitmachen. Denn Prigoschin wurde von seinen Leuten als «Papa» verehrt. Der in Kiew ansässige Polit-Journalist Jimmy Rusthon schreibt auf X: «Wie reagieren Tausende von sehr gut bewaffneten, kampferprobten und extrem gewalttätigen Wagner-Söldnern auf den Tod eines Mannes, den sie sehr hoch, ja fast kultisch verehrten?»
Rache an Putin
Am Donnerstag berichteten Kreml-kritische Kanäle, dass sich Wagner-Söldner versammelt hätten, um sich an Putin und dessen Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68) zu rächen. Vermummte Männer, die sich als Wagner-Söldner ausgeben, veröffentlichten ein Video, in dem sie mit Konsequenzen drohen. Darin sagt einer der Kämpfer: «Es wird derzeit viel darüber gesprochen, was die Wagner-Gruppe tun wird. Wir können ihnen eines sagen: Wir fangen an, macht euch auf uns gefasst.»
Der an der Uni St. Gallen dozierende Russland-Experte Ulrich Schmid (57) meint: «Bereits nach dem Aufstand vor zwei Monaten gab es erhebliche Anstrengungen vom Verteidigungsministerium, die Wagner-Söldner mit Verträgen als offizielle Zeitsoldaten auszustatten. Diese Anstrengungen werden sich nun verstärken.» Zwar seien die Söldner tatsächlich sehr loyal zu Prigoschin, auf der anderen Seite stelle das Verteidigungsministerium eine attraktive Alternative als Arbeitgeber dar.
Neue Privatarmeen für Afrika
In Afrika hingegen dürften die Söldner weiter im Einsatz stehen. «Es ist im Interesse Moskaus, dass die Präsenz in Afrika weitergeführt wird», sagt Schmid. Denn der Kreml will den Einfluss in den afrikanischen Staaten ausbauen, dabei aber nicht selber in Erscheinung treten. Wer Prigoschins Nachfolger werden könnte, ist ungewiss. «Die Struktur von Wagner ist sehr undurchsichtig», sagt Schmid. Sicher dürfte es aber jemand sein, der vom Kreml bestimmt und so auch besser gesteuert werden kann.
Wahrscheinlich ist, dass der Kreml die Truppen in Afrika umbauen wird. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) berichten russische Insiderquellen, dass das Verteidigungsministerium bereits begonnen habe, neue Privatarmeen aufzubauen und sie mit Wagner-Kämpfern zu besetzen. Somit dürfte nach dem Absturz der Söldner-Spitze auch der Name Wagner bald von der Bildfläche verschwinden.
Wie viele Wagner-Söldner es gibt, ist nicht bekannt. Die USA gehen von rund 50’000 Mann aus, von denen wohl über die Hälfte aus Gefängnissen rekrutiert worden waren. Im Krieg in der Ukraine erlitten die Truppen grosse Verluste, so sollen laut früheren Aussagen Prigoschins alleine in der Schlacht um Bachmut 20’000 Wagner-Kämpfer ums Leben gekommen sein.