An der Wand sind eine Weltkarte und ein Kalender befestigt. Davor sitzen an einem grossen Schreibtisch zwei Männer. Es handelt sich um Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (61) und den kremlnahen Polittechnologen Konstantin Dolgow (56).
In einem langen Interview hat der Söldnerführer seine Sicht auf die Lage in der Ukraine dargelegt. Wie man es von ihm kennt, scheute sich Prigoschin dabei nicht vor klaren Worten.
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Prigoschin bekräftigte seine Kritik an der Kriegsführung in der Ukraine. Damit Russland nicht verliere, müsse es den Kriegszustand ausrufen und die Wirtschaft auf die Produktion von Munition umstellen, sagte er. «Wir sollten neue Mobilmachungen einleiten», sagte der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin (70). Alle sollten nur für den Krieg arbeiten.
Der zwielichtige Geschäftsmann erinnerte einmal mehr an die zahlreichen Niederlagen der russischen Streitkräfte, die sich vor Kiew und in Cherson in die «Hose gemacht» hätten und dann abgehauen seien. Prigoschin betonte, dass der nun begonnene Kampf auch zu Ende gebracht werden müsse.
20'000 getötete Wagner-Kämpfer
Die russische Militärführung durfte sich wieder einmal einiges von Prigoschin anhören. Er machte sein politisches Credo deutlich: «Ich liebe Russland, zur Hölle mit Schoigu, wir kämpfen weiter!» Sergei Schoigu (68) ist der russische Verteidigungsminister.
Erneut kritisierte er, dass das Verteidigungsministerium der Wagner-Armee weder ausreichend Munition noch angefordertes Personal bereitgestellt werde. Prigoschin meinte, dass der gesamte Donbass heute schon erobert sein könnte, wenn er die 200'000 angeforderten Soldaten als Verstärkung bekommen hätte. Wagner habe heute 6000 Männer, die eine Kompanie führen könnten. Sie könnten demnach eine Armee von 600'000 Soldaten steuern. Doch gebe es in der Militärführung Ängste, die Wagner-Truppen könnten sich gegen den russischen Machtapparat wenden und am Ende in Moskau einmarschieren, sagte er.
Lobende Worte fand Prigoschin dagegen für die ukrainische Armee. Sie sei eine der besten der Welt.«Sie verfügen über ein hohes Mass an Organisation, ein hohes Ausbildungsniveau, ein hohes Mass an geheimdienstlicher Aufklärung, sie haben verschiedene Waffen. Sie arbeiten mit allen Systemen – sowjetischen oder von der Nato – gleichermassen erfolgreich.»
Die eigenen Verluste bei der Schlacht um die Stadt Bachmut im Gebiet Donezk gab der Wagner-Chef erstmals mit 20'000 getöteten Soldaten an, davon die Hälfte Rekrutierte aus Gefängnissen. Experten gehen von höheren Todeszahlen aus. (nad/SDA)