Viel versprochen, wenig getan
Die verheerende Bilanz der Brics-Gipfel

In Südafrika treffen sich die fünf Brics-Staaten zum 15. Gipfel. Einmal mehr haben sie nur ein Ziel vor Augen: die Schaffung einer neuen Weltordnung. Erreicht haben die Staaten bislang allerdings wenig. Warum? Eine Analyse in fünf Punkten.
Publiziert: 22.08.2023 um 18:01 Uhr
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Aktualisiert: 22.08.2023 um 20:01 Uhr
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Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (r.) empfängt den chinesischen Staatschef Xi Jinping.
Foto: keystone-sda.ch
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Guido FelderAusland-Redaktor

Mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) aus Moskau per Video zugeschaltet, brüten diese Woche die fünf Brics-Staaten in Südafrika darüber, wie sie an der weltweiten Vormachtstellung des Westens sägen und eine neue Weltordnung herstellen können. 

Der Weg dahin ist allerdings steinig, denn von den fünf Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – hat jeder ganz andere Vorstellungen, wie das geschehen soll. Wir zeigen, was die Brics-Staaten bisher erreicht haben, was sie planen, wie sie sich ausdehnen wollen – und wie der Westen auf diese Absichten reagieren soll. 

Die Bilanz

Die Brics-Staaten treffen sich in Südafrika zum 15. Gipfel. Ihre bisherige Bilanz seit der Gründung 2009 ist durchzogen. Günther Maihold (66) von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin sagt: «Auf globaler Ebene konnten die Brics ihre Innovationskraft bislang nur sehr beschränkt unter Beweis stellen. Ihr Anspruch, das internationale Ordnungsgefüge zu reformieren, hat nicht zu den erwünschten Gewichtsverschiebungen geführt.» 

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Vielmehr sei die Brics-Gruppe zunehmend in den Strudel der Verwerfungen internationaler Politik geraten und werde von China und Russland als Instrument betrachtet, um westlichen Positionen entgegenzuwirken.

Immerhin hätten sie es trotz ihrer internen Heterogenität geschafft, sich als Akteur zu konsolidieren und mit der New Development Bank (NDB) ein Instrument zu entwickeln, das auch für andere Länder jenseits der aktuellen Mitgliedstaaten von Interesse sei. Die NDB ist eine Entwicklungsbank, die die Brics 2014 als Gegenpol zum Internationalen Währungsfonds und der Weltbank gegründet haben. 

Die Erweiterung

Um den weltweiten Einfluss auszubauen, wollen sich die Brics-Staaten für neue Mitglieder öffnen. Laut der südafrikanischen Regierung haben für «Brics+» über 40 Staaten ein Interesse bekundet, 22 haben einen formellen Antrag gestellt. In Pole-Position stehen dabei Länder, die schon Mitglied der NDB sind, so Bangladesch, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate. 

Günter Maihold sagt: «Brics+ ist ein von China vorangetriebenes Angebot, um andere G20-Staaten an die Brics zu binden und damit das weltpolitische Gewicht zu steigern.» 

Über die Aufnahme herrscht allerdings Uneinigkeit. So fürchten Brasilien und Indien, die mit den USA gute Handelsbeziehungen unterhalten, dass Washington etwa bei der Aufnahme vom Iran verärgert sein könnte. Zudem haben die beiden Staaten Angst, dass Peking seinen Einfluss innerhalb einer erweiterten Brics ausbauen könnte.

Wegen der Differenzen erwartet Maihold am Gipfel Diskussionen über das Verfahren, aber noch keine konkreten Aufnahmen. 

Der Ukraine-Krieg

Der Krieg hat Staaten wie Brasilien, Indien und Südafrika in arge Bedrängnis gebracht. Gerade Südafrika kommt an seine Grenzen, weil es gezwungen ist, Position zu beziehen. Kommt dazu, dass das Land beschuldigt wird, Russland Waffen und Munition geliefert zu haben. In Washington wird daher der Ruf laut, Südafrika den bevorzugten Zugang zum US-Markt zu kappen. 

Für Putin ist der Gipfel in Südafrika eine gute Gelegenheit, zu zeigen, dass er noch Freunde hat. Je mehr Staaten Brics+ beitreten, desto besser für ihn. Aus Angst, wegen des vom internationalen Strafgericht erlassenen Haftbefehls in Südafrika festgenommen zu werden, nimmt er per Video am Gipfel teil.

Sergej Lawrow schwingt das Tanzbein
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Er vertritt Putin in Südafrika:Sergej Lawrow schwingt das Tanzbein

Die Gefahr

Günther Maihold warnt davor, die Brics-Staaten in einem «Lagerdenken» auszuschliessen und ihnen so noch mehr Gewicht zu geben. Vielmehr sollten die Industriestaaten die Brics+-Staaten möglichst einbinden und an Konferenzen – etwa zur Münchner Sicherheitskonferenz – einladen. Fragen der künftigen internationalen Ordnung dürften nicht auf die unmittelbaren europäischen Interessen fokussieren, sondern müssten im Dialog mit den Staaten des globalen Südens bearbeitet werden, um damit neue politische Impulse an diese Länder zu senden.

Die Industriestaaten könnten damit zeigen, «dass sie bereit sind für ein verändertes Verständnis in Bezug auf die Frage, wie die Weltordnung künftig aussehen soll, eine Weltordnung, die gemeinsam gestaltet und somit nicht wieder als ‹vom Westen verordnet› wahrgenommen wird».

Die Zukunft

Eine Stärke der Brics seien die unterschiedlichen Dynamiken. Maihold: «Der ‹Multilateralismus à la carte› erlaubt es den Mitgliedern, ihre Zusammenarbeit einzuschränken, wenn ihre Interessen divergieren, und von kollektiven Brics-Einrichtungen wie der NDB zu profitieren, wenn diese mit ihrem Interessenprofil übereinstimmen.» Diese flexibilitätswahrende Komponente sei DAS Element, das den Zusammenhalt der heterogenen Versammlung politischer Akteure bis heute gesichert habe. 

So glaubt Maihold an eine erfolgreiche Zukunft der Brics. «Gerade unter dem Gesichtspunkt wachsender internationaler Konfrontationen suchen viele Länder nach einem gemeinsamen Standpunkt, der sie nicht in den Strudel von Sanktionen und deren Folgen bringt – etwas, das die Brics gegenwärtig anbieten.» 


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