Er hofiert Moskau und Peking, bezeichnet Selenski als Kriegsschuldigen und fordert die Ukraine zum Verzicht des Anspruchs auf die Krim auf: Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (77), kurz Lula, scheint sich von der westlichen Welt in Richtung russisch-chinesische Achse abzuwenden.
Seine Aussagen sind so schockierend, dass Brasilien-Kenner Johannes Kabatek (58) von der Universität Zürich sagt: «Es ist ein Jammer, in welche Richtung sich Lula gerade bewegt. Das hätte ich so nicht erwartet.» Im Februar zog Kabatek über Lulas ersten Monat als Präsident noch eine «sehr gute» Bilanz.
Moskau freut sich
Was ist passiert? Brasiliens linker Staatschef hatte vor einigen Tagen bei seinem Besuch in China dem Westen die Schuld am Krieg in der Ukraine in die Schuhe geschoben und gesagt: «Die USA müssen aufhören, den Krieg zu fördern und anfangen, über Frieden zu reden.» Vorher hatte er verlangt, dass sich die Krim-Frage diskutieren lassen müsse.
Für Empörung hatte schon im Mai 2022 seine Kritik am ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) gesorgt. Lula sagte damals, wenige Monate vor seiner Wahl: «Dieser Typ ist für den Krieg genauso verantwortlich wie Putin.»
Am Montag war der russische Aussenminister Sergei Lawrow (73) in Brasilia zu Besuch. Der brasilianische Aussenminister Mauro Vieira (72) bekräftigte dabei das Interesse an einer friedlichen Lösung und kritisierte Sanktionen gegen Russland. «Solche Massnahmen haben negative Auswirkungen vor allem auf die Wirtschaft in Entwicklungsländern.» Lawrow dankte Brasilien «für seinen Beitrag zur Suche nach einer Lösung dieses Konflikts».
Brasilien ist mit Russland, Indien, China und Südafrika über die Gemeinschaft der Brics-Staaten verbunden.
Lula als Vermittler?
Im Weissen Haus ist der Ärger gross. John Kirby (60), Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, wetterte: «Brasilien hat die russische und chinesische Propaganda nachgeplappert, ohne die Tatsachen zu betrachten.» Es seit zutiefst problematisch, wenn Brasilien behaupte, dass die USA und Europa nicht am Frieden interessiert und für den Krieg verantwortlich seien.
Wie China stellt sich auch Brasilien als neutraler Vermittler dar. Das Land hat aber weder den russischen Einmarsch in die Ukraine verurteilt noch Sanktionen gegen Russland verhängt.
Lula will nach eigenen Worten eine «G20 des Friedens» initiieren, also eine Ländergruppe, die auf die Beendigung des Krieges hinwirken soll. Lula vertritt – wie Russland – die Ansicht, dass ein Friede nur auf der Grundlage einer «neuen Weltordnung» ohne Vorherrschaft der USA erfolgen könne.
Brasilien als Friedensstifter? Für Kabatek ist klar: «Mit den Aussagen der vergangenen Tage hat sich Lula als Vermittler disqualifiziert.»
Die Lösung liegt in Europa
Der linke Lula hatte bei den Wahlen 2022 den rechten Jair Bolsonaro (68) aus dem Amt verdrängt. Kabatek sprach damals von einem «Neuanfang» und dass Brasilien zurück auf der internationalen Bühne sei. Nun scheine Lula aber eine «eigene Bedeutung jenseits der USA» zu suchen.
Für Kabatek steht vor allem eine Lösung im Vordergrund, um Lula auf die richtige Bahn zu bringen. Kabatek: «Europa müsste ihn ins Boot holen – das wäre für beide Seiten gut.»