Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (77), kurz Lula genannt, ist nur einen Monat im Amt und sorgt schon für Aufruhr. Erneut kritisierte er den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) für dessen Haltung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Lula sagte bei einem Treffen mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz (64): «Ich glaube, Russland hat den klassischen Fehler begangen, in das Territorium eines anderen Landes einzudringen. Aber ich denke immer noch: ‹Wenn einer nicht will, streiten zwei nicht.›»
Schon im Mai 2022, wenige Monate vor der Wahl, hatte er Selenski im Magazin «Time» kritisiert und gesagt: «Dieser Typ ist für den Krieg genauso verantwortlich wie Putin.»
«Absurde Aussagen»
Ein Fehlstart für den linken Präsidenten des fünftgrössten Landes der Welt, der bei der Stichwahl am 30. Oktober 2022 den konservativen Jair Bolsonaro (67) geschlagen hatte?
• Fläche: 8'515'770 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohnerinnen und Einwohner: 215 Millionen (Schweiz: 8,7 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 6823 Dollar (Schweiz: 93'457 Dollar)
• Sprache: Portugiesisch
• Hauptstadt: Brasília
• Unabhängigkeit: 1822 (von Portugal)
• Währung: Real
* Bruttoinlandprodukt nominal
• Fläche: 8'515'770 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohnerinnen und Einwohner: 215 Millionen (Schweiz: 8,7 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 6823 Dollar (Schweiz: 93'457 Dollar)
• Sprache: Portugiesisch
• Hauptstadt: Brasília
• Unabhängigkeit: 1822 (von Portugal)
• Währung: Real
* Bruttoinlandprodukt nominal
Brasilien-Kenner Johannes Kabatek (57) von der Universität Zürich bezeichnet zwar Lulas Aussagen als «absurd». Es sei praktisch O-Ton der Moskauer Propaganda, wenn Selenski und dem Westen zumindest eine Mitschuld an der Invasion gegeben werde. Kabatek: «Das ist, als würde man Polen die Mitschuld an der Invasion Hitlers zuschreiben – so wie es die Nazipropaganda dargestellt hatte.»
Nähe zu Russland
Dennoch zieht Kabatek eine «sehr gute» erste Bilanz. «Brasilien ist zurück auf der internationalen Bühne. Es gibt Staatsbesuche in Argentinien, den USA, China und im April Portugal.» Ende Januar besuchte Scholz Lula in Brasília. «Man sieht einen Neuanfang. Es geht nebst um Rohstoffe und Energie auch um Themen wie Klimaschutz und Schutz des Regenwalds, die Bolsonaro absichtlich untergehen liess.»
Auch dass Lula im Ukraine-Krieg vermitteln will, findet Kabatek ein gutes Signal. «Neue Wege sind wichtig.» Es sei allerdings fraglich, ob das klappe. Brasilien habe über die Brics-Staaten – den Verbund von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – starke Interessen an der Zusammenarbeit mit Russland. «Es fehlt eine klare Ablehnung Lulas gegenüber Putin», sagt Kabatek.
Zeichen der Versöhnung
In der Innenpolitik erwartet Lula eine schwierige Aufgabe: Er muss ein gespaltenes Land einen. Wegen der Wahlniederlage kam es am 8. Januar zu einem Aufstand und Putschversuch von Bolsonaro-Anhängern. Lula sagte am Freitag, er sei «sicher, dass Bolsonaro aktiv daran beteiligt war und immer noch versucht, daran teilzunehmen». Kabatek glaubt, dass man weiterhin auf «einzelne Ausbrüche und Störmanöver vorbereitet sein» müsse.
Lula hat allerdings klare Zeichen der Versöhnung ausgesendet. Der Vertreter der Arbeiterpartei führt keine echte Linksregierung. Der Vizepräsident und die Ministerin für Planung und Entwicklung sind Mitte-rechts, dazu kommen eine Klimaschützerin als Umweltministerin und eine indigene Ministerin für die Urbevölkerung. Kabatek: «Lula sucht den breiten Konsens in Regierung und Parlament. Die Bolsonaro-Fraktion ist jetzt weniger geeinigt.»
Kommt nun Bolsonaros Frau?
Apropos Bolsonaro: Der spart aus Florida, wo er für sechs Monate ein Touristenvisum beantragt hat, nicht mit Kritik. Die Regierung Lula «wird nicht so lange bleiben, wenn sie so weitermacht, wie sie es in den ersten 30 Tagen getan hat», sagte er. Worauf sich seine Kritik bezieht, führte er nicht aus.
Gleichzeitig kündigte der «Tropen-Trump», wie er auch genannt wird, an, weiter Politik zu betreiben. Diese Aussage hält Kabatek für Demagogie. «Er taugt nicht als Oppositionspolitiker, nur als Aufwiegler.» Der Bolsonarismus suche Wege ohne Bolsonaro, denn viele Anhänger seien sauer wegen seiner «Flucht» in die USA. Im Gespräch der Konservativen sei unter anderem Bolsonaros Frau Michelle (40), die als «Lichtgestalt der evangelikalen Kirchen» gelte.
Trump hat kein Interesse an Bolsonaro
Bolsonaros Flucht nach Florida hat es in sich. Beobachter gehen davon aus, dass er sich einer Verhaftung wegen Verdachts auf millionenschweren Missbrauch der offiziellen Kreditkarten für private Zwecke, Wahlmanipulation und andere Vorwürfe entziehen will. «Vor allem für den baldigen Besuch von Lula in den USA wird Bolsonaro ein Klotz am Bein von US-Präsident Biden», sagt Kabatek.
In Florida logiert Bolsonaro nicht etwa beim ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump (76), sondern im Haus eines seiner reichen Anhänger. «Er ist nicht mehr Präsident und auch kein Millionär», sagt Kabatek. «Damit ist er für Trump weder interessant noch gut genug.»