Dahinter steckt reines Kalkül
Darum hat Putin den Südafrika-Gipfel wirklich abgesagt

Wladimir Putin reist nicht an den BRICS-Gipfel in Südafrika, sondern nimmt per Videocall an der Konferenz teil. Dem Gastgeberland macht er damit ein riesiges Geschenk. Und sich selbst einen strategischen Gefallen. Eine Analyse.
Publiziert: 19.07.2023 um 20:09 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2023 um 20:14 Uhr
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Erst kürzlich reiste Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa nach Moskau, um mit Putin über den Krieg zu sprechen.
Foto: AFP
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Wladimir Putin (70) war jüngst alles andere als ein Vielflieger. Während Covid bunkerte er sich in Moskau und in seiner Luxusresidenz im südrussischen Sotschi ein. Und auch jetzt wagt sich der mächtige Mann im Kreml nicht aus seiner neo-sowjetischen Blase raus.

Grund dafür ist nicht ein neues Virus, sondern der Haftbefehl, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag gegen den Russen-Herrscher unter anderem wegen zigfacher Kindesentführung und anderer Kriegsverbrechen in der Ukraine ausgesprochen hat.

Nichtsdestotrotz hatte sich Putin für den Gipfel der sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) Mitte August in Südafrika angemeldet. Putin wusste, dass Südafrika – Mitbegründer des Internationalen Strafgerichtshofes – ihn nach seiner Landung noch auf dem Rollfeld hätte verhaften müssen. Ein Nervenkrimi sondergleichen. Wird Putin wirklich eingebuchtet? Das fragte sich die ganze Welt.

Putins Geschenk an die Südafrikaner

Jetzt aber hat Putin seine Reise nach Südafrika abgesagt. Das sei «im gegenseitigen Einvernehmen» passiert, schreibt Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (70). Der grösste Thriller dieses Sommers: vorbei, lange vor dem wohl sowieso enttäuschenden Ende. Ganz auf die Teilnahme verzichtet der russische Präsident allerdings nicht – er will den Gipfel per Videokonferenz verfolgen.

Die Beobachter sind schnell beim Urteil: «Angsthase», «Feigling», tönt es allenthalben. Jetzt zeige sich die Gerechtigkeit, twitterte Mychajlo Podoljak (51), Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45). Wer Verbrechen begehe, müsse für immer in Angst und Schrecken leben.

Doch Putins Absage für eine Teilnahme vor Ort ist kein Ausdruck von Angst. Sein Entscheid, zu Hause zu bleiben und seinen aussenpolitischen Bluthund Sergej Lawrow (73) in den Süden zu schicken, ist geschicktes Kalkül.

Mit seiner Absenz macht der Kreml-Boss den Südafrikanern ein riesiges Geschenk. Der Druck auf Pretoria, Putin zu verhaften, war riesig. Gleichzeitig fürchteten die Südafrikaner den geballten russischen Zorn, sollten sie ihrer juristischen Pflicht wirklich nachkommen. Dank Putins Fernbleiben kann Cyril Ramaphosa das alles jetzt von seiner langen Liste zu lösender Probleme streichen.

Sanktionen gegen Russland? Afrika und Lateinamerika machen nicht mit

Südafrika muss also weiterhin nicht Stellung beziehen zu Putins Angriff auf die Ukraine. Das Land kann weiter gleichgültig wegschauen. Und es ist damit nicht allein. Kein einziger lateinamerikanischer und kein einziger afrikanischer Staat hat Sanktionen ergriffen gegen Russland. Der Handel mit dem Putin-Reich floriert, russische Touristen sieht man überall. Von Krise keine Spur.

Aus europäischer Sicht vergisst man allzu rasch: Unser Kontinent (gemeinsam mit den USA, Kanada und ein paar asiatischen Staaten) ist allein auf weiter Flur, wenn es um die Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine geht. Der Grossteil der Welt zuckt mit den Schultern. Russland profitiert von dieser Indifferenz. Der wirtschaftliche Kollaps, den der Westen mit seiner Sanktionspolitik erreichen will: Er liegt in weiter Ferne.

Putin dankt dem globalen Süden dafür – im Fall von Südafrika mit seiner Absenz. Südafrika wird es ihm ebenfalls danken: mit anhaltender Gleichgültigkeit. Putins Schreckensherrschaft kann das nur nützen.

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