Russland-Experte zum Brics-Gipfel
«Keiner will sich auf einem Gruppenfoto mit Putin zeigen»

In Südafrika diskutieren die Brics-Staaten über die Zukunft der Vereinigung. Wladimir Putin (70) kann nicht persönlich erscheinen. Steht er nun mit dem Rücken zur Wand?
Publiziert: 21.08.2023 um 20:32 Uhr
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Aktualisiert: 21.08.2023 um 20:33 Uhr
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Der russische Präsident Wladimir Putin (70) wird am kommenden Brics-Gipfel nur virtuell teilnehmen.
Foto: keystone-sda.ch
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Melissa MüllerRedaktorin News

Von 22. bis 24. August findet in Südafrika der Brics-Gipfel statt. Dort treffen sich Staatsoberhäupter der Mitgliedstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sowie Dutzende weitere internationale Politiker. Bei dem Treffen geht es vor allem um eine mögliche Erweiterung der Organisation. Rund 20 Staaten haben bereits eine Mitgliedschaft beantragt.

Einer wird jedoch beim Brics-Gipfel fehlen: Wladimir Putin (70). Der russische Präsident wird sich per Videocall zuschalten. Gegen ihn liegt wegen des Ukraine-Kriegs ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. Südafrika müsste Putin bei seiner Ankunft verhaften.

«Der Image-Schaden für Putin ist enorm»

Dass Putin aus der Ferne teilnimmt, sei «im gegenseitigen Einvernehmen» entschieden worden, teilte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (70) mit. Doch für Ulrich Schmid, Russland-Experte und Professor für Osteuropastudien an der HSG, ist klar: «Dass Südafrika es für wichtiger hält, seine Verpflichtung zu erfüllen, statt sich demonstrativ auf die Seite Russlands zu stellen, spricht Bände. Der Image-Schaden für Putin ist enorm».

Hinzu kommt: Weder Indien noch China wollten den Gipfel bei sich abhalten, obwohl dort kein Haftbefehl gegen Putin vorliegt. Schmid erklärt: «Keiner der Brics-Staatslenker will sich gemeinsam auf einem Gruppenfoto mit Putin zeigen».

Anders als die EU oder Nato ist Brics keine Wertegemeinschaft. «Sie alle wollen die politische, wirtschaftliche und militärische Vorherrschaft der USA brechen und sind anti-westlich ausgerichtet. Ansonsten verfolgen sie unterschiedliche, eigene Interessen».

Durch seinen Angriffskrieg hat sich Putin nun jedoch unbeliebt gemacht. «Aus Sicht der Mitglieder besteht die Gefahr, dass Russland das ganze Brics-Projekt sabotiert und vergiftet», so Schmid. Aus Angst vor Sekundärsanktionen distanzieren sich die Mitglieder von ihm.

Beispielsweise hat China sich bei UN-Abstimmungen zum Ukraine-Krieg der Stimme enthalten. Zudem gratuliert der chinesische Präsident Xi Jinping (70) Putin nicht mehr zum Geburtstag. «Das hat er vor dem Krieg jedes Jahr gemacht», so Schmid.

Brics-Staaten nicht auf Russland angewiesen

Für den Experten ist klar: «Es ist ein grosser Nachteil und eine Schlappe für Putin, dass er persönlich nicht dort sein kann». Insbesondere, weil Russland schon vor dem Krieg nur eine Nebenrolle in der Brics-Organisation einnahm. «Die Brics-Staaten sind relativ wenig auf Russland angewiesen. Die wichtigen Player sind Indien und China. Russland ist eher ein kleiner Akteur», so Schmid.

Putin dürfte sich deshalb wohl freuen, sollten am Brics-Gipfel Saudi- Arabien oder der Iran an Bord geholt werden. So könnte er zumindest vor der eigenen Bevölkerung sein Gesicht wahren, meint Schmid: «Putin kann diesen Krieg nicht in absehbarer Zeit gewinnen, muss der Bevölkerung aber irgendeinen Sieg präsentieren. Wenn man nun den Schauplatz von der Ukraine auf den Brics-Gipfel verschieben kann, ist das von Vorteil». So könnte er die Rhetorik verstärken, dass auch andere Nationen die westliche Dominanz brechen wollen.

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