Der Rubel wird zur Ramsch-Währung: Für einen Franken erhält man derzeit 110 Rubel. Damit ist er ein Drittel weniger wert als im langjährigen Mittel. Auch gegenüber Dollar oder Euro hat die russische Leitwährung deutlich an Wert eingebüsst.
Seit dem Angriff auf die Ukraine befindet sich Russland auf einer regelrechten Achterbahnfahrt. Der Rubel sackte erst gewaltig ab, legte dann deutlich an Wert zu – und rast nun wieder steil abwärts. Die russische Zentralbank hat jetzt interveniert und den Leitzins am Dienstagmorgen drastisch von 8,5 auf 12 Prozent erhöht. Bis anhin ohne grosse Wirkung. Auch die Inflationszahlen schlingern gewaltig. Wie kann das sein? Blick liefert die wichtigsten Fakten rund um die russische Wirtschaft.
Rohstoffpreise setzen Russland unter Druck
Die aktuelle Rubel-Schwäche hat mehrere Gründe: Zum einen sind die Rohstoffpreise deutlich tiefer als in den Monaten nach Kriegsausbruch. Russland verdient mit Öl und Gas folglich weniger Geld, was seine Volkswirtschaft schwächt und logischerweise auch die Währung. Die Staatsverschuldung wächst damit zwar weiter, liegt jedoch nach wie vor auf tiefem Niveau. Der Ölpreis hat zudem in den letzten Wochen zur Freude Russlands wieder deutlich zugelegt.
Auch der innerrussische Konflikt mit den Wagner-Sölderntruppen rund um Anführer Jewgeni Prigoschin (62) hat den Rubel in diesem Sommer geschwächt. Mit seinem Marsch Richtung Moskau hat er die vermeintliche Unantastbarkeit der Regierung mit Präsident Wladimir Putin (70) ins Wanken gebracht.
Wichtiger Abnehmer strauchelt
Der zweite Grund sind die jüngsten Wirtschaftsdaten aus China, die für Russland wenig verheissungsvoll sind: Die Nachfrage und der Export der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt laufen schlechter als von Experten erwartet. Drosselt China seine Produktion, benötigt es auch weniger russisches Öl. Da der Rubel gegenüber dem Renminbi Yuan von Montag auf Dienstag 14 Prozent verloren hat, spült der Öl-Export nach China dem Kreml zudem deutlich weniger Geld in die Kassen.
Schwacher Rubel als Inflationstreiber
Im vergangenen Jahr lagen die monatlichen Inflationsraten in Russland noch bei über zwölf Prozent. Im April und März sank sie plötzlich auf 2,5 Prozent und tiefer. Doch das war nur eine kurze Verschnaufpause. Der deutliche Rückgang hatte in erster Linie damit zu tun, dass die Inflation im letzten Frühjahr extrem ausfiel. Die Teuerung hat gegenüber diesem hohen Basiswert nur leicht zugelegt. Jetzt zieht die Inflation wieder deutlich an. Im Juli lag sie bei 4,3 Prozent und der schwache Rubel wird sie weiter nach oben treiben.
Rubel belastet Prognosen
Die russische Wirtschaft hat sich bis anhin deutlich zäher gezeigt, als es Ökonomen nach dem Kriegsausbruch jemals erwartet hätten. Schätzungen zufolge ist das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr bloss um 2,1 Prozent gesunken. Der Kreml versprüht für das laufende Jahr jede Menge Optimismus und prognostiziert Wachstum. Die Kriegsindustrie ist dabei ein wichtiger Treiber.
Die finnische Zentralbank rechnet hingegen mit einer Schrumpfung um zwei Prozent. Der schwache Rubel könnte diese Prognose begünstigen, da er die Einnahmen im Ausland sinken lässt. Bis anhin hat Russland einen Drittel seiner Exporterlöse eingebüsst.
Rubel belastet Mittelschicht
Die russische Wirtschaft hat es geschafft, trotz Sanktionen weiterhin Produkte aus dem Westen über neu aufgebaute Lieferketten zu importieren – jedoch zu deutlich höheren Preisen. Ein schwacher Rubel wird den Import von Gütern wie Smartphones nun weiter verteuern. Das macht sich im Geldbeutel der Bevölkerung bemerkbar. Gerade die Mittelschicht bekommt die Sanktionen zu spüren. Sie kann kaum mehr in Europa Ferien machen und gewisse Produkte sind nur noch eingeschränkt verfügbar.
Ärmere Regionen profitieren
Für Menschen in ärmeren Regionen hingegen hat sich die wirtschaftliche Situation zum Teil sogar verbessert. In Russland herrscht aufgrund der Mobilmachung Arbeitskräftemangel. Die Löhne in diesen Regionen sind deshalb deutlich gestiegen – und das stärker als die Inflation. Zudem verdienen Männer aus armen Regionen in der Armee deutlich mehr, was sich weiter positiv auf den privaten Konsum auswirkt.