Kommentar von Ringier-Publizist Hannes Britschgi zum Kapitol-Sturm
Licht in dunkler Stunde

Der Sturm aufs Kapitol der Trump-Anhänger am Mittwoch in Washington D.C. schockiert die Welt. Ringier-Publizist Hannes Britschgi sieht aber Licht am Ende des Tunnels. Denn gewonnen hat der scheidende Präsident Donald Trump damit nichts. Ein Kommentar.
Publiziert: 08.01.2021 um 10:47 Uhr
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Ringier-Publizist Hannes Britschgi: «Kaum war der Mob vertrieben, zählten die Volksvertreter des Senats und des Repräsentantenhauses sofort weiter und stellten damit das Gleichgewicht der Kräfte wieder her.»
Foto: zVg
Hannes Britschgi

Seit Wochen hat er sie aufgehetzt, ihre Wut über die angeblich «gestohlene Wahl» geschürt und sie dann nach einer letzten aggressiven Ansprache vor dem Weissen Haus losgeschickt – zum Sturm aufs Parlament, zum hässlichen Aufstand gegen das unvermeidliche – den Machtverlust.

Seine Anhänger haben Präsident Donald Trump nicht enttäuscht. Mit wehenden Fahnen und heissen Herzen haben sie den Capitol Hill gestürmt, die hilflosen Polizisten überrannt und Rabatz im Epizentrum der amerikanischen Demokratie verbreitet. Damit lieferten sie ihrem Idol, was es wollte: den Stopp des letzten Aktes der Präsidentenwahl, die Auszählung der Elektoren-Stimmen.

Parlament weist Trump in die Schranken

Dieser vulgäre, illegale Angriff bezahlte eine Einbrecherin gar mit ihrem Leben. In dieser dunklen Stunde aber knipsten die Abgeordneten die Lichter einfach wieder an. Kaum war der Mob vertrieben, zählten die Volksvertreter des Senats und des Repräsentantenhauses sofort weiter und stellten damit das Gleichgewicht der Kräfte wieder her.

Das Parlament wies den randalierenden Trump in die Schranken. Ein Präsident, der seine Wahlniederlage nicht akzeptieren kann und deshalb die Gerichte bemüht, ist das eine. Ein Präsident, der mit illegalen Methoden wie Mobbing, erpresserischen Telefonaten und inszeniertem Chaos für den Machterhalt kämpft, ist eine andere, eine nicht tolerierbare Geschichte. Niemand steht über dem Gesetz. Das muss auch für den mächtigsten Mann der amerikanischen Weltmacht gelten.

Kandidatur 2024 verhindern

Das Parlament sollte ihm die Rote Karte zeigen. Das heisst, umgehend ein Amtsenthebungsverfahren einleiten und damit zumindest Trumps erneute Kandidatur 2024 verhindern. Die Mitglieder der Grand Old Party stehen nach dem Krawall im Kapitol vor der dringlichen Frage: Wie werden wir Republikaner diesen ungezügelten, aber mächtigen Rowdy wieder los?

In den Morgenstunden nach dem Chaos auf dem Capitol Hill verspricht Trump zum ersten Mal: «Es wird am 20. Januar einen geordneten Übergang geben», also zur Amtseinsetzung des neuen Präsidenten Joe Biden. Der Absender Trump macht aus einer Selbstverständlichkeit ein Versprechen. Er gibt es nur, weil es einsam wird im Weissen Haus. Parteifreunde und Weggefährten distanzieren sich nach der angezettelten Randale.

Trumps Weigerung, die Nationalgarde zur Rettung des Parlaments aufzubieten, gab ihnen den letzten Rest. Der Marschbefehl kam schliesslich vom Vizepräsidenten und vom Verteidigungsminister. Make Congress Safe Again.

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