Der stellvertretende Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Wadim Skibitski, erklärt, die Ukraine verliere an der Front gegen Russland und sei nun fast ausschliesslich auf Waffen aus dem Westen angewiesen. «Dies ist jetzt ein Artilleriekrieg», sagt Skibitski zum «Guardian». An den Fronten entscheide sich die Zukunft. «Wir verlieren, was die Artillerie angeht.»
Skibitski appelliert an die Unterstützer der Ukraine: «Alles hängt jetzt davon ab, was der Westen uns gibt», sagt er. «Die Ukraine hat eine einzige Artillerieeinheit gegenüber zehn bis 15 russischen Artillerieeinheiten. Unsere westlichen Partner haben uns etwa 10 Prozent von dem gegeben, was sie haben.»
5000 bis 6000 Artilleriegeschosse pro Tag
Laut Skibitski verbraucht die Ukraine 5000 bis 6000 Artilleriegeschosse pro Tag. «Wir haben fast unsere gesamte Munition aufgebraucht und verwenden jetzt Nato-Standardgranaten des Kalibers 155.» Europa liefere auch Granaten niedrigeren Kalibers, aber je knapper die europäischen Bestände, desto kleiner werde die Menge. Skibitski fordert zudem, dass der Westen die Ukraine mit Langstreckenraketen versorgen müsse, um die russischen Artilleriegeschütze aus der Ferne zerstören zu können.
Im ersten Kriegsmonat schoss Russland ständig mit Raketen auf die Ukraine. «Wir haben festgestellt, dass Russland jetzt viel weniger Raketenangriffe durchführt und H-22-Raketen verwendet, also alte sowjetische Raketen aus den 1970er-Jahren», sagt Skibitski. «Das zeigt, dass Russland kaum noch Raketen hat.» Laut jüngsten Zahlen der ukrainischen Streitkräfte feuert Russland derzeit noch täglich zwischen 10 und 14 Raketen ab.
Selenski bei Nato-Gipfel
Skibitski glaubt, dass die Zahl der von Russland aus gestarteten Raketenangriffe auf dem derzeitigen Stand bleiben wird. Zudem vermutet er, Russland sei wegen der Sanktionen nicht in der Lage, Raketen schnell zu produzieren. Seinen Angaben zufolge hat Russland etwa 60 Prozent der Vorräte verbraucht.
Der ukrainische Militärgeheimdienst geht davon aus, dass Russland sein derzeitiges Tempo vorerst beibehalten kann, ohne weitere Waffen herzustellen. Ende Juni wird der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) bei einem Nato-Gipfel in der spanischen Hauptstadt Madrid erwartet. Ob er persönlich am Spitzentreffen teilnehmen wird oder per Videoschalte, ist noch unklar. Es wird erwartet, dass es beim Gipfel unter anderem um erneute Waffenlieferungen an die Ukraine gehen wird. (noo)