Tschetschenen schlafen im Hotel, Russen im Dreck
Russen nerven sich über Extrawürste für Kadyrow-Truppen

Die Truppen des Tschetschenen-Führers Ramsan Kadyrow sind offenbar besser ausgerüstet und besser untergebracht als russische Soldaten – und werden erst noch im Kampf geschont. Das führe zu einem Neid, der in Hass umschlage, berichten russische Medien.
Publiziert: 02.12.2022 um 18:21 Uhr
|
Aktualisiert: 03.12.2022 um 14:07 Uhr
1/10
Zahlreiche russische Soldaten klagen über ihre miserablen Lebensbedingungen.
Foto: Imago
RMS_Portrait_AUTOR_324.JPG
Anastasia MamonovaBlattmacherin Digital

Dreck, Kälte und kaum was zu essen – so sieht der Alltag vieler zwangsmobilisierter Russen aus. Doch offenbar müssen nicht alle unter solch widrigen Umständen ausharren. Für manche Truppen gibts mehr Komfort. Dazu gehören Berichten zufolge die Soldaten von Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow (46).

Diese dürfen angeblich in Hotels übernachten, während andere Soldaten in Baracken oder Zelten leben müssen. Das erzählt die Ehefrau eines russischen Soldaten gegenüber dem unabhängigen Telegram-Portal We can explain. Ihr Mann habe das auch gegenüber einem Militär-Psychologen gesagt, der ihn zu seiner Haltung zum Krieg befragt habe.

«Mein Mann ist geradeheraus und töricht. Er hat seine Position zu diesem ganzen Krieg dargelegt. Dass die lokale Bevölkerung gegen die Besatzung ist, dass die Kadyrowiten und andere Eliteeinheiten in Hotels wohnen, während die einfachen Soldaten in Kasernen leben, unter schrecklichen Bedingungen, ohne Versorgung und Essen», erzählt die Ehefrau.

«Man kann nicht lange in solchen Löchern leben»

Am Donnerstag publizierte ein weiteres Newsportal ein Video von Mobilisierten aus Tscheljabinsk, die bei Swatowe in der Region Luhansk stationiert sind. Die Soldaten klagen über Kälte, Feuchtigkeit und schimpfen über ihre Vorgesetzten. «Es tropft von der Decke, und wir mussten eine Folie aufziehen, damit wir wenigstens trocken aufwachen», sagt der Soldat. «Es ist klar, warum die Soldaten abhauen. Man kann nicht lange in solchen Löchern leben.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Dass die Kadyrowiten, wie Kadyrows Truppe genannt wird, einen Sonderstatus geniessen sollen und es deshalb zu Knatsch mit regulären Russen-Soldaten kommt, berichtete Kawkas Realii vor zwei Monaten. «Manchmal gibt es Streit um Lebensmittel, manchmal um Eigentum», zitiert das Portal eine Quelle aus dem Umfeld des Militärs.

Oleg Orlow, Aktivist der mittlerweile verbotenen und geschlossenen Menschrechtsorganisation Memorial, führt die Konflikte zwischen den Kadyrowiten und regulären Truppen auch auf die ungleiche Verteilung der Ausrüstung zurück. «Sie sind besser bewaffnet als andere Einheiten.» Es herrsche Eifersucht und Abneigung, die in Hass umschlage.

Kaum an der Front

Den Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums zufolge sollen die Tschetschenen zudem kaum an der vordersten Front sein, sondern sich viel mehr im Hintergrund aufhalten. Ihre Aufgabe soll darin bestehen, als Sperrtruppen zu dienen und Deserteure, die nicht als «Kanonenfutter» in der ersten Reihe sterben wollen, aufzuhalten und im Notfall zu erschiessen.

Der ukrainische Geheimdienst berichtete zudem, dass die Kadyrowiten im März mehr als ein Dutzend russischer Verwundete in der Region Kiew getötet haben sollen, um sich nicht um ihre Evakuierung kümmern zu müssen. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.

FSB nimmt verärgerte Soldaten ins Visier

Klagen über Kadyrowiten und der allgemeine Unmut über den Krieg haben dem Soldaten, der beim Psychologen antraben musste, offenbar noch mehr Probleme eingebracht. Denn wie seine Frau gegenüber «We can explain» erzählt, sei er nach seiner Rückkehr aus der Ukraine nun auch noch ins Büro des russischen Nachrichtendienst FSB zitiert worden.

Dem Bericht zufolge sei er nicht der einzige, auf den der FSB aufmerksam wurde. Auch andere verärgerte Militärangehörige werden zu Befragungen vorgeladen.

Seit Dezember ist ein neuer Erlass des FSB in Kraft getreten. Dem Dokument zufolge dürfen «aus Sicherheitsgründen» praktisch keine Informationen über die Armee, einschliesslich des «moralisch-psychologischen Klimas in der Truppe», des Stands der militärischen Versorgung und ihrer Bedürfnisse, weitergegeben werden.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?