Darum gehts
- Influencer nutzen Papst-Beerdigung um Follower zu unterhalten. Gläubige kritisieren respektloses Verhalten
- Vatikan erliess Foto-Verbot nach Selfies mit aufgebahrtem Papst
- 250'000 Gläubige verabschiedeten sich persönlich von Papst Franziskus
Influencer Daniel Pires (39) spricht zu seinen Followern. Er steht in der ersten Reihe vor dem Eingang zu Papst Franziskus’ Grab in der Basilika Santa Maria Maggiore. Der Brasilianer ist nicht religiös, die Kirche interessiere ihn nicht. Und trotzdem steht er mit seinem Videoproduzenten Lucas (24) stundenlang neben den Gläubigen in den Schlangen, als Blick ihn antrifft – für die Messe am vergangenen Samstag und für das Grab.
Ihre Mission: Millionen Follower in Brasilien mit der Beerdigung des Papstes unterhalten und damit Geld verdienen. «Das ist meine Arbeit und deshalb bin ich hier», rechtfertigt sich Lucas. «Unsere Follower sind nicht besonders religiös, aber es interessiert sie.» Nach drei Stunden in der Warteschlange schaffen es die beiden in die Marienkirche. Das Resultat: Ein mit dramatischer Musik unterlegtes Video von der Grabstätte, das Hunderttausende Menschen erreicht.
«Wer in der Messe eine Show macht, der stört»
In Rom ist es unübersehbar, dass der Abschied von Papst Franziskus nicht nur Menschen mit religiösen Motiven anzieht. Staatschefs knipsen Fotos des Sarges während der Messe, Papst-Ballone schweben in den Gassen und Sandalen tragende Touristen in kurzen Hosen und schulterfreien Shirts spazieren vorbei – in der Hoffnung, etwas Papst zu sehen.
Wenige Meter neben den brasilianischen Influencern wartet Scarlette (19) unter einem Sonnenschirm. Die Studentin aus Manchester ist Katholikin und genervt. «Klar sollen alle von unserem heiligen Vater Abschied nehmen können, aber bitte respektvoll!» Sie meint: «Ruhig und in Würde – wer in der Messe oder Kirche eine Show macht, stört.» Die Katholikin reiste mit ihrer Mutter extra für das Requiem und den Abschied von Papst Franziskus nach Rom. Bevor die beiden am Sonntagabend zurückreisen, wollen sie noch ans Grab. «Dafür werde ich mein schulterfreies Shirt selbstverständlich abdecken», sagt sie zum Schluss.
Requiem gleicht einer TV-Serie
Zum Eklat kam es vergangene Woche auch im Petersdom vor dem aufgebahrten Papst. Von den 250’000 Gläubigen, die sich von ihm persönlich verabschiedeten, knipsten einzelne Selfies mit dem Leichnam. Daraufhin erliess der Vatikan ein Foto-Verbot.
Nicht erst seit Franziskus’ Tod ist die Rolle des Papstes in Rom mit derjenigen des Königs in London zu vergleichen. Dass die Übertragung des Requiems am Samstag zu Teilen einer TV-Serie glich, ist sowohl Absicht wie auch im Interesse der Kirche und der Gläubigen.
Aufmerksamkeit tut der katholischen Kirche gut
Die Polin Marita Magdalena (47), Katholikin, erinnert sich an die Beerdigung ihres Landsmannes Papst Johannes Paul II. vor zwanzig Jahren. «Die Zeiten verändern sich. Heute haben alle ein Smartphone – wir sind vernetzter.» Die zweifache Mutter reiste mit ihrem Mann und den Kindern für die Beerdigung an. An den vielen Hobby-Fotografen in den vorderen Reihen auf dem Petersplatz oder falsch gekleideten Touristen, störe sie sich nicht. «Wenn die Selfies machen wollen, sollen sie das doch tun.» Man müsse froh sein, dass die Kirche und der Papst populär und relevant seien – mit allen positiven und negativen Seiten. Denn: Wenn dem nicht so wäre, hätten sich Trump und Selenski nicht so schnell wieder getroffen. Und die brasilianischen Influencer wären daheimgeblieben.