Darum gehts
- Kardinäle bereiten sich auf die Papstwahl vor
- Die Schweizer Kardinäle Koch und Tscherrig könnten eine Schlüsselrolle als Brückenbauer spielen
- Geheim-Gespräche laufen im Hintergrund
Im katholischen Verständnis wirkt im Konklave der Heilige Geist. Doch auch hinter den Vatikan-Mauern geht es irdisch zu. Im Hintergrund ziehen die Kardinäle die Strippen, sie tauschen sich in Gesprächskreisen aus – und wählen taktisch: Anfangs gibt es Zählkandidaten, um am Ende einen ganz anderen Kardinal durchzuboxen.
Vor zwölf Jahren, nach dem Rücktritt von Benedikt XVI., setzte ein Schweizer Theologe von Weltruf den Ton: Papst-Kritiker Hans Küng prangerte in der «New York Times» die «fatale Rückkehr zu den alten monarchischen Gewohnheiten der Kirche» unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. an. Und Küng stellte die Frage: «Könnte der nächste Papst trotz allem einen neuen Frühling für die katholische Kirche einleiten?»
Die «Novemdiales» – eine diskrete Castingshow
Was ein Frühling nach Franziskus bedeuten könnte – darüber gehen die Meinungen in Rom auseinander. Innerhalb der katholischen Kirche gibt es Spannungen zwischen Reformern und Traditionalisten. Es gibt ein «Team Benedikt», das unter Franziskus’ Reformeifer litt, und ein «Team Franziskus», das den Kurs des verstorbenen Pontifex fortführen will.
Bevor das Konklave im Mai zusammentritt, gilt eine neuntägige Trauerzeit. Die «Novemdiales» begannen am Samstag mit dem Papst-Requiem. Täglich zelebriert ein anderer Gottesmann die Messe, die Predigten sind eine diskrete Castingshow. Kommt die Sprache beim Volk an? Was ist die zentrale Botschaft der Predigt? Erreicht sie die Herzen?
Bereits vor Franziskus’ Beerdigung hat das Vorkonklave begonnen: Hier kommen alle Kardinäle zusammen, um die Abdankung und das bevorstehende Konklave vorzubereiten.
Kritik am «theologischen Narzissmus»
Jorge Bergoglio, der spätere Papst Franziskus, gab im Vorkonklave mit einer Brandrede zu reden: «Die Übel, die sich im Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickeln, haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit. Es ist ein Geist des theologischen Narzissmus», sagte er – und sprach vielen Kardinälen aus dem Herzen. Der Erzbischof von Buenos Aires hatte wie viele Bischöfe die Erfahrung gemacht, dass die römische Kurie Teil des Problems ist und nicht Teil der Lösung für die Herausforderungen der Kirche.
Das Vorkonklave dient auch dem gegenseitigen Beschnuppern: Papst Franziskus hat viele Kardinäle neu ernannt, sie lernen sich erst jetzt kennen. Das geschieht auch in den römischen Trattorien und Priesterseminaren. Am Vorkonklave nehmen alle Kardinäle teil, später gilt dann: «Extra omnes», «alle hinaus» – dann dürfen nur noch die stimmberechtigten Kardinäle zusammenkommen. Das sind alle Purpurträger, die zum Zeitpunkt des Papsttodes noch nicht 80 waren.
Zwei Schweizer als Brückenbauer
Eine Schlüsselrolle könnte den zwei Schweizer Kardinälen zukommen: der Luzerner Kurt Koch (75) und der Walliser Emil Paul Tscherrig (78).
Koch, der frühere Bischof von Basel, war ein Diener zweier Herren: Papst Benedikt XVI. ernannte ihn zum Ökumene-Minister. Als Franziskus Papst wurde, behielt er ihn im Amt. Koch ist der einzig verbliebene Franziskus-Diener aus dem «Team Benedikt», was ihn zum Brückenbauer zwischen beiden Lagern machen könnte. Dafür spricht auch Kochs diplomatische Art. Wenn Koch das Wort erhebt, dürften alle ganz genau zuhören.
Der Walliser Tscherrig war Vatikan-Diplomat und lernte Jorge Bergoglio in Argentinien kennen, als dieser noch Erzbischof von Buenos Aires war. Als Bergoglio 2013 überraschend Papst wurde, rief er Tscherrig an und sagte, die argentinischen Bischöfe sollten nicht zu seiner Amtseinführung kommen, sondern das Geld für die Flugtickets lieber den Armen spenden. Franziskus und Tscherrig blieben in Kontakt, später machte Franziskus den Walliser zum wichtigsten Botschafter der Vatikan-Diplomatie, zum Nuntius von Italien. Durch seine verschiedenen Einsätze auf der Welt – von Burundi über Südkorea bis Skandinavien – ist Tscherrig bestens vernetzt.
Ein Insider zu Blick: «Es gibt die Papabili und die Männer, die Mehrheiten organisieren. Koch ist ein Brückenbauer – und Tscherrig und sein französischer Diplomaten-Kollege Christophe Pierre (79) sind spannende Strippenzieher ohne Ambitionen.»
Kurt Koch hat dem Kirchenradio Radio Vatican ein Interview zum Papst-Tod gegeben und schweigt seitdem eisern; sein Landsmann Emil Paul Tscherrig hält sich ebenfalls zurück. Beide sind Vatikan-Profis: Diskretion zahlt sich aus.