Die Welt hat auf diesen Handschlag gewartet, die Welt hat ihn bekommen. Um etwa 13.25 Uhr gaben sich US-Präsident Joe Biden (78) und Russlands Staatspräsident Wladimir Putin (68) am Mittwoch vor der Genfer Villa La Grange die Hand. Es war der Auftakt zum heiklen US-Russland-Gipfel.
«Willkommen in der Stadt des Friedens», hatte Bundesratspräsident Guy Parmelin (61) die beiden mächtigen Staatschefs, deren Beziehung zerrüttet ist, zuvor begrüsst. Putin kam direkt vom Flughafen Genf-Cointrin. Einen Empfang am Rollfeld – wie Biden am Tag zuvor – wollte er explizit nicht. Mit schwer bewaffneten Personenschützern fuhr sein Konvoi an den Schaulustigen vorbei durch die Stadt.
Biden liess Putin warten. Erst zwölf Minuten nach dem russischen Präsidenten fuhr der US-Präsident vor. Ein Machtspiel: Normalerweise lässt Putin seine Gesprächspartner warten – beim Treffen mit Bidens Vorgänger Donald Trump (75) war es eine ganze Stunde.
Trotzdem wirkte die Stimmung zwischen den beiden Staatspräsidenten weniger unterkühlt, als erwartet wurde. Einen «würdigen Gegner» hatte Biden Putin zwei Tage vorher genannt. Eine Formulierung, die Putin, der seit mehr als 21 Jahren an der Macht ist, offensichtlich gefiel. Moskau rüstete kurz vor Gipfelbeginn rhetorisch ab.
Journalisten kämpften um die beste Sicht
Doch die Spannungen zwischen den beiden Grossmächten liessen sich nicht ganz verbergen. Als Biden und Putin in der Villa Platz nahmen, kam es zwischen amerikanischen und russischen Journalisten offenbar zum Gerangel. «Es fing schon vor dem Gebäude an», berichtet eine CNN-Korrespondentin. «Draussen wurde geschubst und geschrien, als alle Reporter versuchten, reinzukommen und zu sehen, wie sich die beiden hinsetzen.» Auch eine Fernsehkamera wurde blockiert.
Biden wirkte beim Gipfelbeginn entspannter als sein russisches Gegenüber. Während Putin und sein Aussenminister Sergej Lawrow (71) breitbeinig und ausdruckslos in ihren Stühlen sassen, schlug Biden die Beine übereinander, scherzte und griff nach seinen Notizen. Das erste Gespräch im kleinsten Kreis dauerte fast eine Viertelstunde länger als vorgesehen.
Putin nannte Gespräche «produktiv»
Der US-Präsident hatte sich penibel auf den Gipfel mit Putin vorbereitet. Nach einem Gespräch mit zehn Russland-Experten hatte er auch entschieden, keine gemeinsame Pressekonferenz mit Putin abzuhalten. Die Amerikaner haben aus dem Helsinki-Desaster 2018 gelernt: Putin hatte bei der gemeinsamen Pressekonferenz damals jede Einmischung in die US-Wahlen 2016 dementiert – und Trump hatte ihm entgegen den CIA-Berichten beigepflichtet.
In ihren jeweiligen Pressekonferenzen legten Biden und Putin am Abend dann ihre Sicht über die Gespräche dar. «Produktiv», urteilte der russische Staatspräsident. Auch Biden zeigte sich zufrieden. Es gab sogar Freundlichkeiten: «Er ist konstruktiv, ausgeglichen und erfahren», sagte Putin über Biden. «Das Letzte, das er jetzt will, ist ein Kalter Krieg», sagte Biden über Putin. Immerhin.
Der Gesprächsfaden ist wieder aufgenommen, bald sollen auch die aktuell abgezogenen Botschafter ihre Arbeit wieder aufnehmen dürfen. Der Handschlag war dafür ein guter Anfang.