Es wird eine spannende Wahlnacht in den USA – auf die wochenlanges, banges Warten folgen könnte. Bei den Midterms am Dienstag geht es um die künftigen Mehrheiten in beiden Kongresskammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Und während schnell feststehen könnte, wer das Repräsentantenhaus kontrolliert, könnte es im Extremfall einen Monat dauern, bis die Mehrheit im Senat klar ist.
Das liegt daran, dass für den künftigen Senat wie bislang sehr knappe Mehrheitsverhältnisse erwartet werden. Ausserdem haben mehrere wichtige Rennen, etwa in den Bundesstaaten Georgia, Nevada und Pennsylvania, keinen klaren Favoriten. Eine Übersicht der spannendsten Duelle.
Fetterman gegen Oz
Besonders eng dürfte das Duell zwischen John Fetterman (53) gegen Mehmet Oz (62) im Bundesstaat Pennsylvania werden. Fetterman, ein mehr als zwei Meter grosser Hüne mit Glatze, Tätowierungen und einer Vorliebe für Kapuzenpullover, liefert sich ein enges Rennen um den Senatssitz mit seinem republikanischen Rivalen Mehmet Oz, einem Politik-Neuling und schwerreichen Chirurgen, der einst als Gast-Medizinexperte in der Sendung von Talkshow-Queen Oprah Winfrey (68) zu Berühmtheit gelangte.
Das Duell Fetterman-Oz könnte mit darüber entscheiden, ob die Demokraten bei den Midterms ihre hauchdünne Mehrheit im US-Senat verteidigen. Zu Beginn lag der volksnahe Fetterman in Umfragen lange Zeit vor dem von Ex-US-Präsident Donald Trump (76) unterstützten «Dr. Oz». Jetzt ist dieser Vorsprung weggeschmolzen.
Walker gegen Warnock
Auch im Bundesstaat Georgia wird es spannend. Zur Wahl stehen der republikanische Kandidat Herschel Walker (60), ein skandalumwitterter früherer American-Football-Star, und der Demokrat Raphael Warnock (53).
Warnock ist hauptberuflich Pfarrer in der Ebenezer-Baptisten-Kirche in Atlanta, wo einst Martin Luther King (1929–1968) predigte. Walker hingegen ist ein gefeierter Sportsmann. Ex-Football-Star und olympischer Bobfahrer.
Georgia nimmt ohnehin eine Sonderrolle ein: Der Staat im Süden der USA verlangt als fast einziger Bundesstaat, dass ein Senatskandidat im ersten Wahlgang auf mehr als 50 Prozent der Stimmen kommt. Gelingt dies nicht – was im Wettkampf zwischen Warnock und Walker wegen der Teilnahme eines dritten Kandidaten erwartet wird – kommt es am 6. Dezember zur Stichwahl. Sollte die künftige Senatsmehrheit an Georgia hängen, wird also erst in rund einem Monat klar sein, ob Demokraten oder Republikaner in der Kongresskammer das Sagen haben.
Ryan gegen Vance
Im Bundesstaat Ohio stehen sich der republikanische Senatskandidat und Erfolgsautor J.D. Vance (38) und der Demokrat Tim Ryan (49) gegenüber.
Vance war in der Vergangenheit ein erklärter Trump-Gegner. Vor der Präsidentschaftswahl 2016, bei der Trump überraschend gewann, bezeichnete er den Rechtspopulisten als «Idioten», den er «nie gemocht» habe. Als Vance dann im vergangenen Jahr in das Vorwahlrennen der Republikaner in seinem Heimatstaat Ohio einstieg, distanzierte er sich von seinen früheren Äusserungen und trat als entschiedener Trump-Verfechter mit einer scharf rechten Politik auf. Das brachte ihn gewaltig nach vorne in den Umfragen. Er liegt auch aktuell vor seinem Konkurrenten Ryan. Dieser kandidierte für die Präsidentschaftswahlen 2020, erreichte aber nicht die nötigen Stimmen.
Kelly gegen Masters
Der ehemalige Astronaut und Demokrat Mark Kelly (58) und Finanzinvestor Blake Masters (36) stehen in Arizona zur Wahl. Bislang liegt der 58-Jährige vorne – allerdings mit einem hauchdünnen Vorsprung. Kelly wird von Paypal-Gründer und Milliardär Peter Thiel (55) unterstützt und erklärte immer wieder, dass er bereit sei, über Parteigrenzen hinweg zu arbeiten. Damit versucht er, überzeugte Republikaner ins Boot zu holen und die Wahl für sich zu entscheiden.
Barnes gegen Johnson
Im US-Bundesstaat Wisconsin liegt derzeit der Republikaner Ron Johnson (67) bei Umfragen vor seinem Rivalen Mandela Barnes (35). «Umfragen steigen und Umfragen sinken. Aber ich sage jedem, der frustriert ist über eine Umfrage, die uns schlechte Zahlen bescheinigt, dass er unbedingt wählen gehen sollte», erklärte Barnes bei einer seiner letzten Wahlkampfreden am Montag. Jeder Frustrierte sollte nicht in den Kopf in den Sand stecken, sondern andere dazu animieren, wählen zu gehen.
Er kritisierte gleichzeitig den Wahlkampf seines Konkurrenten. In den Wahlwerbespots würde man sich darauf konzentrieren, ihn anzugreifen, anstatt die Arbeit von Johnson hervorzuheben. Das sage alles. Barnes bezeichnet sich selbst als «Underdog» («Aussenseiter»). Er will sich für die Gleichberechtigung, die Rechte der Schwarzen, ein gutes Gesundheitssystem und für ein Recht auf Abtreibung einsetzen. Sein Rivale hingegen ist konservativ eingestellt und hat immer Joe Biden (79) und dessen Politik angegriffen. Das brachte ihm viel Zustimmung. (jmh)