Kommt die «rote Welle»? Oder hält die «blaue Wand»? Bei den Zwischenwahlen in den USA («Midterms») geht es heute um nicht weniger als die Kontrolle in Washington. Fast sicher ist: Das Repräsentantenhaus (der «Nationalrat der USA») wird an die Republikaner fallen. Beim Senat (dem «Ständerat der USA») ist die Ausgangslage noch immer so knapp, dass sich kaum Vorhersagen machen lassen.
Worum geht es bei den «Midterms» überhaupt?
Die Zwischenwahlen sind die US-amerikanischen Parlamentswahlen. Sie finden genau in der Mitte von Präsident Joe Bidens (79) erster Amtszeit statt. Zur Wahl steht das gesamte Repräsentantenhaus (435 Sitze) sowie ein Drittel des Senats (35 der 100 Sitze).
Daneben gibt es zahlreiche lokale Wahlen und Abstimmungen. 36 der 50 Bundesstaaten wählen ihren Gouverneur (die lokale Exekutive). Dazu gibt es in mehreren Bundesstaaten Abstimmungen darüber, ob das Recht auf Abtreibung in der lokalen Verfassung festgehalten werden soll.
Welche Szenarien sind denkbar?
Erstens: Die Demokraten können ihre knappe Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus (die beiden Kammern zusammen bilden den «Kongress») halten. Für US-Präsident Joe Biden würde sich damit nicht viel ändern. Zweitens: Die Demokraten verlieren die Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Republikaner.
Damit könnten die Republikaner Bidens politische Agenda faktisch ausbremsen. Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit, parlamentarische Komitees mit politischen Ermittlungen zu beauftragen. So könnten sie zum Beispiel Ermittlungen gegen den wegen seiner Geschäftstätigkeit umstrittenen Präsidentensohn Hunter Biden (52) einleiten. Drittens: Die Demokraten verlieren die Mehrheit in beiden Kammern. Biden wäre komplett blockiert. Er hätte kaum Chancen, möglicherweise frei werdende Sitze am höchsten Gericht der USA nach seinem Gusto zu besetzen.
Was sagen die letzten Umfragen?
Die Statistiker des Polit-Portals «FiveThirtyEight» haben 100 Midterms-Wahlen am Computer simuliert. Die Republikaner haben das Repräsentantenhaus in 83 von 100 Fällen und den Senat in 55 von 100 Fällen gewonnen. Während die Sache in der grossen Kammer also klar scheint, ist das Rennen um den Senat weiterhin extrem knapp. Entscheidend werden vor allem die hauchdünnen Rennen in Georgia und Pennsylvania sein.
Welche Bedeutung haben die Midterms für Joe Biden?
Grosse. Biden muss sich auf harzige zwei Jahre einstellen, während derer ihm die Republikaner schier unüberwindbare politische Hürden in den Weg stellen werden. Er wird aller Voraussicht nach zur «lahmen Ente». Der Tonfall in Washington dürfte noch gehässiger werden.
Was bedeuten die Resultate für den Präsidentschaftswahlkampf 2024?
Wenn die Republikaner einen deutlichen Sieg davontragen, wird Donald Trump (76) das als Zeichen verstehen und in Kürze seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 verkünden. Bei mehreren Wahlkampfauftritten in den vergangenen Tagen hat der republikanische Ex-Präsident angetönt, dass er seinen Hut «sehr, sehr, sehr bald» in den Ring werfen werde.