Auf einen Blick
- Auto rast durch Fasnachtsmarkt in Mannheim. Zwei Tote, viele Verletzte
- Festgenommener Fahrer ist Deutscher mit möglicher psychischer Erkrankung
- 14 Personen wurden verletzt, einige davon schwer
- Gerüchte über Herkunft des Täters
Ein Gefühl vereint die Menschen gestern Abend in Mannheim (D): Angst. Schon in der Dämmerung sind die Strassen der Innenstadt menschenleer. Restaurants und Läden sind bis auf einzelne Ausnahmen geschlossen. Vor wenigen Stunden ist hier ein Auto durch einen Fasnachtsmarkt in der Fussgängerzone gerast – und hat Passanten umgefahren. Ein Mann (†54) und eine Frau (†83) sind gestorben. 14 Personen wurden verletzt, einige davon schwer.
Bülent As (59) arbeitet in einem Döner-Imbiss am Paradeplatz – Brennpunkt des Anschlags. «Ich habe im Büro oben vorbereitet. Als ich herunterkam und das Haus verlassen wollte, kam mir eine Menschenmenge entgegen», erzählt er.
«Manche zitterten am ganzen Körper»
Es seien mehrheitlich Frauen gewesen. «Sie schrien um Hilfe und hatten Todesangst», sagt der Döner-Verkäufer. «So etwas habe ich noch nie gesehen.» Er habe die Verängstigten ins Haus gelassen, versucht, sie zu beruhigen. «Manche zitterten am ganzen Körper. Sie drängten sich durch die Tür. Ich sah, wie einige stürzten.»
Passiert ist es gegen 12.15 Uhr. Die Polizei warnte zunächst die Bevölkerung vor einer «lebensbedrohlichen Einsatzlage». In der Uniklinik Mannheim herrscht Ausnahmezustand. Sämtliche Betten seien belegt, erfährt Blick von einer Insiderin. Etwa drei Stunden nach dem Vorfall teilt die Polizei mit: Ein Mann wurde festgenommen!
«Nicht schon wieder!»
Die 17-jährige Sophie ist mit ihrer Mutter und einer Freundin aus einem Vorort nach Mannheim gefahren. Sie stehen vor der Absperrung, blicken auf die Marktstände am Ort der Tragödie. «Nicht schon wieder ein Anschlag! Unsere Eltern haben mittlerweile Angst, uns überhaupt noch in die Stadt zu lassen», sagt die Jugendliche aufgebracht.
Mitte Februar raste in München ein Afghane (24) mitten in eine Demonstration, tötete eine Mutter und ihr Kind (2). Die Ermittler gehen von einer islamistisch motivierten Tat aus. Im Dezember tötete Amok-Fahrer Taleb A. aus Saudi-Arabien in Magdeburg sechs Menschen und verletzte rund 300. Die Polizei ermittelt noch sein Motiv.
Beim verhafteten Fahrer von Mannheim handelt es sich laut Polizei um einen Deutschen (40). In den sozialen Medien wurde zuvor fälschlicherweise behauptet, der mutmassliche Täter habe einen arabischen Namen.
Das denken auch Sophie und ihre Mutter Beate Meiffert (57). Ihre Wut richtet sich gegen die Politik: «Wir kriegen in Deutschland nichts gebacken!», sagt die Mutter.
«Traue mich nicht an Umzug»
Die Parteien seien ohnmächtig, die Bedrohung allgegenwärtig. «Wir haben jeden Tag Angst», so Meiffert. Eine zweite Frau kommt hinzu, pflichtet ihr bei. «Ich wollte morgen an einem Fasnachtsumzug in einem anderen Stadtteil teilnehmen», sagt sie. «Aber jetzt traue ich mich nicht – schliesslich habe ich eine kleine Tochter.»
Währenddessen unterhält sich SPD-Stadtrat Reinhold Götz (70) in der Nähe des Tatorts mit einem Kollegen. Er zeigt sich besorgt über die Gerüchte im Internet. «Ich finde es erschreckend, wie schnell sich die Falschmeldung verbreitet hat, der Fahrer sei ein Islamist gewesen», sagt er zu Blick. Der Politiker warnt vor zu voreiligen Schlüssen. «Wir sind eine vielfältige Stadt, kulturell und sozial. Deshalb tun mir diese Fake-News besonders weh.»
Gegen 20 Uhr geben Polizei und Staatsanwalt weitere Details zum Verhafteten bekannt. Der Mann sei Landschaftsgärtner, stamme aus Ludwigshafen, habe weder Frau noch Kinder. Vor zehn Jahren verbüsste er eine kurze Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung. Man habe Hinweise auf eine psychische Erkrankung. «Nach bisherigen Erkenntnissen können wir ausschliessen, dass es sich um eine politisch motivierte Tat handelt», teilt die Polizei mit. Zuletzt sei der Täter wegen «Hatespeech auf Facebook» im Jahr 2018 aufgefallen.
In Mund geschossen
Die Zeitung «Bild» sprach mit Bekannten des mutmasslichen Täters. Einer sagte: «Er war in letzter Zeit sehr komisch. Er hat einfach ins Leere gestarrt und dann wie aus dem Nichts angefangen zu lachen. Wir hatten noch eine halbe Stunde vor der Tat Kontakt mit ihm.» Während der Festnahme soll er sich eine Schreckschusspistole in den Mund gesteckt und abgedrückt haben. Er wurde laut «Bild» schwer verletzt ins Spital gebracht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen zweifachen Mordes.
Bis in die späten Abendstunden patrouilliert die Polizei weiter in der Innenstadt. Die Fussgängerzone bleibt abgesperrt. Döner-Verkäufer Bülent As wirkt nachdenklich. Nicht nur die Tat, sondern auch die Angst und Spekulationen der Menschen beschäftigen ihn. Zu Blick sagt er: «Jemand, der so etwas macht, ist ein Verbrecher. Egal woher er kommt und was er glaubt.»