Darum gehts
- Ein Deutscher (40) rast mit einem dunkelblauen Ford durch eine Mannheimer Fussgängerzone
- Zwei Menschen sterben, mehrere sind schwer verletzt
- Laut Justiz gibt es keine Anzeichen auf einen islamistischen Anschlag, wohl aber auf eine psychische Erkrankung des Lenkers
Polizei warnt vor Hunderten potenziellen Tätern in Deutschland
Nach der Todesfahrt in Mannheim überrascht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit einer schockierenden Zahl: In ganz Deutschland gebe es Hunderte Menschen, von denen eine ähnliche Gefahr ausgehen könnte, wie RTL.de berichtet. Benjamin Jendro von der GdP Berlin erklärt: «Wir haben allein in Berlin eine dreistellige Zahl an Menschen, wo wir damit rechnen müssen, dass sie jederzeit irgendwann losrennen und Menschen töten».
Täglich müssen Beamte Personen in psychiatrische Einrichtungen bringen, die oft kurz darauf wieder entlassen werden. «Wenn die Ärzte dann keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung feststellen, werden sie wieder nach Hause geschickt, und unsere Kollegen treffen sie nach ein paar Tagen beim nächsten Einsatz wieder», so Jendro.
Die GdP fordert nun eine länderübergreifende Datenbank, in der Gewalttaten und psychische Erkrankungen erfasst werden. Jendro betont: «Wir werden nicht alle diese Taten verhindern können.» Dennoch sei es die Pflicht des Rechtsstaats, alles Mögliche zum Schutz der Bürger zu unternehmen.
Haftbefehl wegen Mordes gegen Todesfahrer von Mannheim
Nach der Todesfahrt von Mannheim ist Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes gegen den 40 Jahre alten Autofahrer erlassen worden. Bei seiner Vorführung beim Haftrichter habe er keine Angaben gemacht, so dass sein Motiv für die Tat weiterhin unklar sei, teilten die Staatsanwaltschaft Mannheim und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit.
Die Ermittler sind überzeugt, dass der Deutsche aus Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) am Rosenmontag mit seinem Wagen mit hoher Geschwindigkeit Hunderte Meter weit durch die Mannheimer Fussgängerzone gerast und absichtlich auf Menschen zugefahren ist. Eine 83-jährige Frau und ein 54-jähriger Mann kamen ums Leben. Elf Menschen wurden verletzt, fünf von ihnen schwer.
Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Mannheim sei Haftbefehl wegen Mordes in zwei Fällen, versuchten Mordes in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung in elf Fällen erlassen worden, hiess es von der Anklagebehörde.
Alexander S. inszenierte sich in russischem sozialen Netzwerk als Waffennarr
Wie «Focus» berichtet, inszenierte sich der Amokfahrer von Mannheim, Alexander S. (40), im russischen sozialen Netzwerk «Vk» als Waffennarr. So posierte der Mann mit einer Waffe an einem Schiessstand. Auch ein Bild, dass S. vor einem Panzer zeigt, findet man dort.
Seit August 2018 soll der Deutsche auf «Vk» aktiv gewesen sein. Medienberichten zufolge soll er etwa zum gleichen Zeitpunkt verfassungsfeindliche Inhalte veröffentlicht haben. Die Polizei soll damals Ermittlungen aufgenommen haben – «wegen Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aus dem rechten Spektrum», wie «Focus» schreibt.
Lange war S. auf «Vk» nicht aktiv. Lediglich zwei Beiträge und acht Fotos soll er gepostet haben.
Notizen auf Zettel des Mannheimer Todesfahrers werden geprüft
Ein im Auto des Todesfahrers in der südwestdeutschen Stadt Mannheim entdeckter Zettel beschäftigt die Ermittler. Notiert sind in etwas krakeliger Schrift unter anderem mathematische Formeln zu Geschwindigkeit und Fahrt. Die Ermittler müssen jetzt prüfen, inwieweit diese Aufzeichnungen relevant für die Aufklärung der Tat sind.
Ermittler wollen heute Todesfahrer vernehmen
Der des zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes verdächtige 40 Jahre alte mutmassliche Todesfahrer Alexander S. von Mannheim soll vernommen werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist der aus Ludwigshafen stammenden Deutsche nicht mehr in der Klinik, sondern in Polizeigewahrsam. «Wir werden ihn heute vernehmen», sagte der Chef des Landeskriminalamtes, Andreas Stenger.
Polizeichefin erlebt Amokfahrt mit: «Ich wusste sofort, da stimmt etwas nicht»
Mannheims Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer wurde selbst Zeugin der Amokfahrt vom Montag. Um 12.14 war sie unterwegs in der Fussgängerzone, als ein Auto mit hoher Geschwindigkeit an ihr vorbeifuhr. «Ich wusste sofort, da stimmt etwas nicht. Der Wagen fuhr einfach ungebremst weiter, mitten durch die Menschen», sagt die zu «Bild».
Schäfer alarmierte sofort ihre Kollegen, als das Auto etwa 50 Meter weiter die ersten Opfer erfasste. «Bei dem ersten Notruf auf der Leitstelle war nicht klar, ob es sich um einen Unfall oder Absicht handelte.» Sie habe dies umgehend klarstellen können und auch Hinweise auf den Fluchtwagen geben. Die Grossfahndung führte schnell zum Erfolg. Schäfer weiter zu Bild: «Um 12.26 Uhr wurde der Fluchtwagen verlassen aufgefunden, um 12.43 Uhr konnten meine Beamten auch schon die Festnahme melden.»
Todesraser Alexander S. hatte vor Amok-Fahrt noch Kontakt mit Freunden
Über den verhafteten Todesraser Alexander S. aus Mannheim sagten am Montagabend Freunde, die «Bild» bei seinem Wohnort antraf, dass er in letzter Zeit «sehr komisch» gewesen sei. Weiter sagten sie: «Er hat einfach ins Leere gestarrt und dann wie aus dem Nichts angefangen zu lachen. Wir hatten noch eine halbe Stunde vor der Tat Kontakt mit ihm.»
Wie die Zeitung weiter schreibt, soll er im August letzten Jahres versucht haben, sich in ein Spital einweisen zu lassen. Zuvor soll er sich mit Benzin übergossen haben und habe sich anzünden wollen.
Polizei und Staatsanwaltschaft veröffentlichen Informationen zu Täter und Opfer
Der Todesfahrer aus Mannheim habe vor zehn Jahren eine kurze Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung verbüsst, sagt Oberstaatsanwalt Romeo Schüssler an der Pressekonferenz vom Montagabend. «Wir haben konkrete Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Täters. Deswegen konzentrieren sich die Ermittlungen auf diesen Aspekt», sagte er weiter. Zuletzt sei der Täter wegen «Hatespeech auf Facebook» im Jahr 2018 aufgefallen.
Der LKA-Präsident, Andreas Stenger, bestätigt weiter, dass der Täter sich mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen hat. Der Mann habe noch nicht vernommen werden können.
Der Staatsanwalt beteuerte indessen: «Wir gehen davon aus, dass er absichtlich gefahren ist.» Man habe auch Anhaltspunkte, dass er in Behandlung war. Hinweise darauf, dass die Tat angekündigt worden war, gebe es keine. Gemäss den ermittelnden Personen soll der Mann alleine gelebt, als Landschaftsgärtner tätig gewesen sein und keine Kinder haben.
Bei den beiden Todesopfern handelt es sich um eine 83-jährige Frau und einen 54-jährigen Mann, erklärte Stenger.
Sophie (17): «Wir haben tagtäglich Angst!»
Sophie (17) beunruhigt der neue Gewaltakt in ihrer Stadt. «Nicht schon wieder! Vor einem Jahr hatten wir einen Messerangriff», erinnert sie sich. Ende Mai hatte ein Mann bei einer Kundgebung auf mehrere Menschen eingestochen. Ein Polizist starb.
«Wir fühlen uns unsicher und sind sprachlos. Die Bevölkerung geht kaputt», so das Mädchen weiter. «Unsere Eltern haben Angst, uns nach Mannheim zu lassen. Wir haben tagtäglich Angst!»
«Das war Todesangst»: Dönermann rettet Frauen vor Amokfahrer
Bülent As (59) arbeitet in einem Dönerladen direkt am Paradeplatz. Er erzählt: «Ich war gerade oben in unserem Büro. Als ich herunterkam und auf den Platz trat, kamen mir etwa 50 Menschen entgegen, mehrheitlich Frauen.»
Sie hätten geschrien: «Bitte hilf uns!». Daraufhin liess er sie in den Hauseingang. Sie hätten gedrängelt, einige auch gezittert. «Das war Todesangst – so was habe ich noch nie gesehen. Ich hab sie alle hereingelassen und versucht, sie zu beruhigen. Einige sind im Chaos gestürzt. Schrecklich.»
In Mannheim hat die Polizei die Bürgerinnen und Bürger am Montag dazu aufgerufen, wegen eines grossen Polizeieinsatzes die Innenstadt zu meiden. Diese solle «grossräumig» umfahren werden, schrieben die Beamten am Montag im Onlinedienst X. Grund dafür war ein Auto, das in eine Menschenmenge gefahren war.
Bei der Amokfahrt sind gemäss Polizei zwei Personen ums Leben gekommen und mehrere schwer verletzt worden. Ein Bild zeigte einen beschädigten, dunkelblauen Ford am Tatort. Der Fahrer, ein 40-jähriger Deutscher, wurde festgenommen. Sein Motiv ist unklar. Hinweise auf eine politisch motivierte Tat liegen den Behörden zufolge nicht vor. Laut Staatsanwaltschaft gibt es «Hinweise auf eine konkrete psychische Erkrankung des Täters».
Stadtbahnbetrieb eingestellt
Das Innenministerium des Bundeslandes Baden-Württemberg warnte die Bevölkerung über die Warnapp Katwarn vor einer «lebensbedrohlichen Lage». Über der Mannheimer Innenstadt kreiste ein Helikopter. Der Stadtbahnbetrieb zwischen Mannheim und Ludwigshafen wurde zwischenzeitlich eingestellt, wie die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH mitteilte.
Mehrere Vorfälle in den letzten Wochen
Auf dem Gelände rund um den Paradeplatz befindet sich seit Donnerstag bis voraussichtlich Dienstag der Fasnachtsmarkt. Mannheim ist mit rund 320'000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt Baden-Württembergs.
«Es ist schrecklich hier, keiner weiss, was passiert ist, man sieht nur Verletzte und den Toten, und man weiss nicht, was man machen soll», zitiert der «Mannheimer Morgen» einen Augenzeugen. Die Intensivstation des Mannheimer Uniklinikums hat einem Bericht von «Rheinpfalz» zufolge den Katastrophenalarm ausgerufen. Ein Reporter der Zeitung berichtete von Hunderten Polizisten, die im Einsatz waren.
In den vergangenen Wochen hat es in Deutschland mehrere Vorfälle gegeben, bei denen Autos in Menschenmengen gerast waren. Im Dezember kamen in Magdeburg sechs Menschen ums Leben, als ein Arzt mit saudi-arabischer Staatsbürgerschaft in den dortigen Weihnachtsmarkt gerast war. Mitte Februar war ein Afghane mit einem Mini Cooper in eine Gruppe von Demonstranten in München gefahren. Eine junge Frau und ein Kind starben.