Auf einen Blick
- Bruno Kahl warnt: Russland bereitet sich auf Krieg mit dem Westen vor
- Russland könnte Nato-Beistandsverpflichtung testen und Bündnis spalten wollen
- Russische Streitkräfte möglicherweise Ende des Jahrzehnts bereit für Westangriff
Der Präsident des Bundesnachrichtendiensts (BND), Bruno Kahl (62), hat vor der konkreten Gefahr einer militärischen Konfrontation Russlands mit der Nato gewarnt. «Russland bereitet sich auf einen Krieg mit dem Westen vor», sagte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdiensts am Mittwoch in Berlin. «Eine militärische Konfrontation wird zu einer möglichen Handlungsoption für den Kreml.» Die russischen Streitkräfte würden «wahrscheinlich Ende des Jahrzehnts personell und materiell in der Lage sein, einen Angriff auf den Westen auszuführen».
Im Ernstfall wäre eher kein grossflächiger Angriff auf die Nato-Staaten Europas zu erwarten, sagte Kahl bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Moskau würde eher versuchen, die in der Nato-Charta festgeschriebene Beistandsverpflichtung auszuhebeln – und das westliche Bündnis damit scheitern zu lassen. Wenn Russland ein Nato-Mitglied militärisch angriffe und die übrigen Nato-Staaten dies nicht – wie in Artikel 5 der Nato-Charta festgeschrieben – als Angriff auf das ganze Bündnis werten und entsprechend reagieren würden, hätte Russland sein Ziel erreicht.
Passiert das, ist der Westen geschwächt
Nach Einschätzung des BND hegten hochrangige russische Regierungsvertreter inzwischen Zweifel, «ob die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 im Ernstfall halten würde», sagte Kahl. Er warnte: «Wenn solche Ansichten überhandnehmen in der russischen Regierungszentrale, wächst in den kommenden Jahren das Risiko auch einer militärischen Auseinandersetzung.»
Als mögliche Szenarien nannte Kahl einen kurzen Angriff auf die norwegische Arktis-Insel Spitzbergen zur «territorialen Geländebereinigung» oder eine begrenzte Intervention im Baltikum unter dem Vorwand des Schutzes russischer Minderheiten. Russland gehe es um ein Scheitern der Nato als Verteidigungsbündnis, sagte Kahl. «Das wäre aus russischer Sicht erreicht, wenn der Artikel 5 bei einem Angriff ohne Wirkung bliebe.»
Dies hätte eine massive Schwächung des Westens zur Folge. «Bleibt die Beistandsverpflichtung ohne Wirkung, könnte Russland seinen Einfluss in Europa durch eine aggressive Machtpolitik ausbauen», warnte Kahl. Dadurch würde auch der Einfluss des Westens weltweit zurückgehen.
«Was noch viel schlimmer ist»
Kahl prophezeite, dass Russland vor einem möglichen Kriegsbeginn versuchen werde, die Nato zu spalten – etwa, indem es einzelne Mitgliedsländer auf seine Seite ziehe. Russlands Präsident Wladimir Putin (72) werde «rote Linien des Westens austesten und weiter eskalieren», sagte Kahl voraus. Dies seien «unbehagliche Aussichten», fügte er hinzu.
Besorgt zeigte sich der BND-Präsident auch über politische Kräfte am rechten und linken Rand in der Bundesrepublik, wo «naiv nachgeplappert wird, was aus Moskau kommt». Dies habe auch Auswirkungen auf Wahlen, warnte Kahl – und fügte hinzu: «Was noch viel schlimmer ist: Es verschärft die Spaltung in unserer politischen Landschaft.»