Erst die heilige Messe, dann die orthodoxe Bestattung und zuletzt der Gang zum Grab. So lief die Beerdigung des verstorbenen Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin (†62) ab – wenn man den Gerüchten glaubt.
Viele Gäste waren nicht da. Der russische Präsident Wladimir Putin (79) glänzte durch Abwesenheit und sorgte dafür, dass der Wagner-Boss still und heimlich unter die Erde kam. Staatliche Sender liessen die Beerdigung des Söldner-Chefs gänzlich unerwähnt.
Prigoschin ist letzte Woche bei einem Flugzeugabsturz mit neun weiteren Personen verstorben. Über die Ursachen wird spekuliert. Sowohl US-Geheimdienste als auch Aviatik-Experten glauben jedoch nicht an einen Unfall.
Die Meldung von Prigoschins Beerdigung kam überraschend. «Der Abschied von Jewgenij Wiktorowitsch fand in geschlossener Runde statt. Wer sich verabschieden möchte, kann den Porochowskoje-Friedhof besuchen», heisst es plötzlich um 16.20 in einer Nachricht im Telegram-Account des Verstorbenen. Nur die nächsten Personen in seinem Bekanntenkreis wussten davon.
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Freien Zugang zum Friedhof gab es nicht: Der Porochowskoje-Friedhof wurde strengstens von Polizei und Nationalgarde bewacht, laut Zeugen soll es ganz leise gewesen sein. Und genau das ist aussergewöhnlich.
Prigoschin wurde zur «Spezialoperation»
Nach dem Gesetz werden militärische Helden mit Salutschüssen verabschiedet, von einer Ehrengarde der Armee getragen und in einer Militärkapelle bestattet. Der Wagner-Boss wurde vor einem Jahr von Putin als Held ausgezeichnet, doch ein Heldenbegräbnis wurde ihm nicht gegönnt. Prigoschins Bestattung wurde für den Kreml zur «Spezialoperation Beerdigung».
Das Investigativportal Meduza schreibt, dass Journalisten nicht einmal wussten, auf welchem Friedhof der Verstorbene begraben wird. Kein Angehöriger äusserte sich. Experten vermuten, dass der Kreml Prigoschins Angehörigen zum Schweigen geraten hatte.
Prigoschin wurde ohne grosse Zeremonie neben seinem Vater begraben. Um 16 Uhr war die Bestattung im «engsten Kreis» mit 20 bis 30 Personen zu Ende. Die Trauernden legten scharlachrote Rosen nieder, nach 40 Minuten war das Ereignis zu Ende.
Putins Terminkalender ist zu voll
Dass Putin nicht anwesend war, überraschte kaum. Erst einen Tag nach dem Absturz meldete sich der russische Präsident zu Wort: «Er war ein Mensch mit einem schwierigen Schicksal, und er hat schwere Fehler gemacht». Fehler, die ihn teuer zu stehen kamen.
Wenige Tage später gab Kreml-Sprecher Dimitri Peskow bekannt, dass Putin nicht zur Beerdigung kommen könne. Grund dafür sei der «sehr volle Terminkalender» des Präsidenten. Zum grossen Bruch zwischen den jahrelangen Freunden Prigoschin und Putin führte der bewaffnete Aufstand der Wagner-Söldner, die am 24. Juni auf Prigoschins Kommando Richtung Moskau marschierten.
Angst vor Grossereignis
Viele Wagner-Söldner sind überzeugt, dass der Flugzeugabsturz von Verrätern im Kreml eine öffentliche Hinrichtung ihres Chefs darstellt. Und Putin dürfte Angst vor dem Groll der Gruppe haben. Laut «Kyiv Post» hatte Putin Angst davor, dass die Beerdigung des Wagner-Bosses zum öffentlichen Grossereignis mit Gewaltpotenzial wird.
Wenn es nach Putin geht, soll sich das russische Volk auch nicht an Prigoschin erinnern. In den Medien wurde seit dem Absturz betont, dass der Wagner-Boss ein «Geschäftsmann» war und damit private Ziele verfolgte. Dabei war er lange Zeit der Einzige, der für nennenswerte russische Erfolge in der Ukraine sorgte.
Klar ist: Auch wenn die Bestattung unzeremoniell und ruhig verlief, das Echo von Prigoschins Tod hallt beim russischen Volk noch immer nach. In Sankt Petersburg legen Bürger seit einer Woche rote Nelken nieder. Und die galten 1917 als Symbol des Widerstands gegen die russische provisorische Regierung, die in der Oktoberrevolution von den Kommunisten gestürzt wurde.