Prigoschin, Kadyrow, Schoigu
Eskaliert jetzt der Machtkampf unter Putins Schergen?

Der Machtkampf unter Putins Gehilfen spitzt sich zu. Wagner-Söldner sollen nun sogar Russen-Soldaten gefoltert haben. Werden die internen Machtkämpfe zur Gefahr für Putin? Russland-Experte Ulrich Schmid ordnet den Zoff ein.
Publiziert: 09.06.2023 um 16:00 Uhr
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Zurzeit legt er sich mit allen an: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin.
Foto: Telegram
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Marian NadlerRedaktor News

Zurzeit legt er sich mit allen an: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (62). Was der zunehmend aggressiver werdende Konfrontationskurs des zwielichtigen Geschäftsmannes bedeutet, weiss Russland-Experte Ulrich Schmid (57), Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen.

«Er versucht, seine eigene Position zu stärken. Offensichtlich hegt er politische Ambitionen», erklärt Schmid. Auch die US-Militärexperten des Institute for the Study of War (ISW) werteten das Verhalten Prigoschins schon als Zeichen, dass er Kremlchef Wladimir Putin (70) den Platz streitig machen will.

Die lautstarke Kritik des Söldnerführers an Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68) wird gleichzeitig immer irrer. Der Wagner-Boss macht den Verteidigungsminister für das Versagen in der Ukraine verantwortlich und nennt ihn einen «stinkenden Bastard».

Wird Prigoschin festgenommen?

Jüngst behauptete Prigoschin, die russische Armee habe die Abzugswege seiner Söldner vermint, dann warnte er davor, dass Russland eine Atombombe auf die russische Region Belgorod abwerfen könnte, wenn die ukrainische Armee dort ein Dorf erobern würde.

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Obendrein kam heraus, dass Prigoschins Kämpfer russische Soldaten gefoltert haben sollen. Anton Geraschtschenko (40), Berater des ukrainischen Innenministers, will erfahren haben, dass Schoigu Prigoschin und seine wichtigsten Gefolgsleute jetzt festnehmen lassen will. Dass es tatsächlich zu einer Festnahme Prigoschins kommt, glaubt Ulrich Schmid nicht. Putin habe bisher seine schützende Hand über ihn gehalten. Dass sich das ändert? «Unwahrscheinlich».

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Tschetschenen wüten

Auch mit den Tschetschenen, die von «Putins Bluthund» Ramsan Kadyrow (46) angeführt werden, legte sich Prigoschin an. Der Wagner-Boss erklärte auf Telegram, dass er nicht wisse, was die tschetschenische Spezialeinheit Achmat an der Front mache. Das liessen der Kommandant von Kadyrows Einheit «Kadyrowzy», Adam Sultanowitsch Delimchanow (53), und Magomed Daudow (43), Vorsitzender des tschetschenischen Parlaments, nicht auf sich sitzen. Daudows klare Botschaft in Richtung Prigoschin: «Für eine solche Aussage hätte man dich im Zweiten Weltkrieg erschossen.»

Wird der Machtkampf gar Kremlchef Wladimir Putin (70) gefährlich? «Im Moment stehen beide noch hinter Putin, bereiten aber Optionen für sich selbst für eine Zeit nach Putin vor», sagt Schmid mit Blick auf Kadyrow und Prigoschin. Schoigu sei dagegen für seine bedingungslose Loyalität für Putin bekannt.

Heimlicher Gewinner ist die Ukraine

«Ich glaube, dass Leute aus Putins innerem Kreis hinter ihm stehen – daran gibt es keinen Zweifel», sagte der ehemalige FSB-Offizier und Ultra-Nationalist Igor Girkin (52) vor Kurzem auf Telegram über Prigoschin. Heisst: Mächtige Kräfte innerhalb des russischen Regierungsapparats könnten den Konfrontationskurs Prigoschins unterstützen. Girkin vermutet, dass Prigoschin sogar einen Putsch plant.

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Experte Schmid hält einen offenen Putsch für unwahrscheinlich und bewertet die Situation gänzlich anders als Girkin. Prigoschin überschätze seine Möglichkeiten. «Er verfügt über keine Hausmacht im Kreml. Ausserdem tritt er in den Staatsmedien kaum in Erscheinung», merkt Schmid an. Kadyrow wiederum könnte, wenn Putin schwächelt, die tschetschenische Unabhängigkeit anstreben.

Der heimliche Gewinner des Machtkampfs könnte die Ukraine sein. «Eine zerstrittene russische Militärführung ist weniger handlungsfähig. Es ist für die Ukraine von Vorteil, wenn sich verschiedene russische Akteure auf dem ukrainischen Kampffeld gegenseitig behindern», resümiert der Experte.

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