Jewgeni Prigoschin (61), Chef der paramilitärischen Gruppe Wagner, reist derzeit durch Russland. An verschiedenen Medienkonferenzen im ganzen Land verbreitet er seine pro-russische Kriegspropaganda – schreckt aber nicht davor zurück, auch die Leute von Präsident Wladimir Putin (70) anzugreifen.
Das unabhängige russische Nachrichtenportal «Meduza» hat Prigoschins wichtigste Aussagen zusammengefasst.
Der weitere Kriegsverlauf
Laut Prigoschin wird «ein harter Krieg bevorstehen». «Ich denke, dass wir den Donbass in zwei Jahren befreien und Kiew in drei oder vier Jahren erreichen können», behauptet der Wagner-Boss. Dafür brauche es aber verschiedene Massnahmen, unter anderem eine Generalmobilmachung und die Erhöhung der Waffenproduktion.
Dass Prigoschin ausgerechnet die Waffen anspricht, dürfte kein Zufall sein. In den vergangenen Monaten forderte der Wagner-Boss immer wieder mehr Waffen vom Kreml, drohte zeitweise sogar mit dem kompletten Rückzug seiner Truppen, wenn die Wagner-Gruppe nicht mehr Waffen erhalten würde.
Prigoschin forderte ausserdem, dass man drastisch gegen Deserteure vorgehe. «Es braucht die Todesstrafe für Deserteure (...) andernfalls kann der Krieg nicht gewonnen werden.» Zudem sollten auch Chefs von Rüstungskonzernen unter dem Militärrecht stehen – inklusive Todesstrafe. Heisst: Wer es nicht schaffen sollte, die geforderte Munition zu liefern, müsste im schlimmsten Fall mit dem Tod rechnen.
Ausserdem forderte Prigoschin, Russland unter Kriegsrecht zu stellen. «Die Gesellschaft muss mobilisiert werden – die Bevölkerung muss merken, dass sie noch lange unter diesen Bedingungen leben muss.»
Prigoschin fordert bereits seit längerem die Verhängung des Kriegsrechts. Wladimir Putin sträubt sich dagegen. Lediglich in den vier annektierten Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja gilt seit Oktober 2022 das Kriegsrecht.
Bewohner können nun zur Arbeit in der Rüstungsindustrie gezwungen oder an Reisen gehindert werden. Die Einführung von Militärzensur oder das Abhören privater Telefongespräche ist offiziell auch möglich, genauso wie die Einführung einer Sperrstunde, die Beschlagnahmung von Privateigentum, eine Festnahme von bis zu 30 Tagen oder eine Zwangsumsiedlung in andere Gebiete. Die Massnahmen eignen sich auch, die Kontrolle über die russische Bevölkerung zu verstärken.
Seine eigene Karriere
Immer wieder wurden Prigoschin in den vergangenen Wochen politische Ambitionen nachgesagt. Sogar einen Putsch gegen Putin soll der Wagner-Boss geplant haben. Er selbst dementierte die Gerüchte nun vehement: «Sie werden weder die Wagner-Partei in der Duma (dem Abgeordnetenhaus Russlands) noch mich als Präsidentschaftskandidat erleben. Meine Aufgabe ist eine völlig andere.»
Ob diese Aussage nur vorgeschoben ist oder Prigoschin tatsächlich keine politischen Ambitionen hegt, ist aber unabhängig kaum zu überprüfen.
Seine «Grossvater»-Aussage
Am «Tag des Sieges», einem wichtigen Feiertag für Russland, griff Prigoschin einen unbekannten Grossvater an. Er sagte: «Der glückliche Grossvater denkt, dass es ihm gut geht. Aber was soll das Land tun, wenn sich herausstellt, dass dieser Grossvater ein komplettes Arschloch ist?»
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Wen Prigoschin mit dem «Grossvater» meinte, liess er indes offen. Allgemein wurde angenommen, dass es ein Angriff auf Putin sein könnte. Das dementierte Prigoschin jetzt aber: «Ich habe Waleri Gerassimow (aktueller Kommandant der russischen Armee in der Ukraine) so genannt, weil er uns keine Munition gegeben hat.»
Die Folgen des Kriegs
Mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich Russland ins internationale Aus manövriert. Zahlreiche Länder verhängten Sanktionen, zwischen dem Westen und Russland herrscht praktisch Funkstille.
Prigoschin macht sich denn auch keine Illusionen, dass sich dies bald ändert. «Wir werden auf lange Sicht isoliert sein, wir müssen uns daran gewöhnen», sagte der Wagner-Boss. Russland könne sich gut selbst versorgen. «Wir können selbst herstellen, was wir brauchen.»