Jewgeni Prigoschin (61) verzweifelt. Dem Chef der Söldnertruppe Wagner gehen die Streitkräfte für den Einsatz in der Ukraine aus. Zu diesem Schluss kommt die US-amerikanische Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW).
Um die Personalnot zu stoppen, möchte sich die Wagner-Gruppe an den Truppen des russischen Militärs bedienen. Genauer: an den frisch mobilisierten Männern. Laut der neusten ISW-Analyse häufen sich die Hinweise, dass Prigoschins Organisation mobilisierte Soldaten dazu zwingt, der Wagner-Gruppe beizutreten.
Knackis auf freiem Fuss
Wie jede Kriegspartei muss Wagner Verluste auf dem Schlachtfeld in Kauf nehmen. Vor allem die Gefechte in und um die östliche Stadt Bachmut dezimieren die Zahl der Söldner.
Ein weiteres Problem für Prigoschin: auslaufende Verträge mit Ex-Häftlingen. Vergangenes Jahr startete Wagner eine massive Rekrutierungsoffensive in russischen Gefängnissen. Diese erreichte im Herbst ihren Höhepunkt. Der Deal: Wer sechs Monate als Wagner-Söldner in der Ukraine kämpft, wird begnadigt und freigelassen.
Gemäss dem britischen Geheimdienst hält Wagner sein Versprechen. Die Konsequenz: Tausende Ex-Häftlinge haben ihren halbjährigen Dienst inzwischen absolviert und kehren nun nach Russland zurück.
Illegal verschleppt
Jetzt soll sich Prigoschin an den Soldaten von Kremlchef Wladimir Putin (70) bedienen. Gemäss dem kremlkritischen Journalisten-Netzwerk Astra wurden vor einigen Wochen 500 russische Soldaten nach Luhansk verschleppt. Eigentlich hätten sie in Rostow am Don stationiert werden sollen. Von ihnen sollten dann 170 Personen einen Vertrag bei der Wagner-Gruppe unterschreiben, doch der grösste Teil lehnte ab. Von diesen 113 Männern fehlt seither jede Spur.
Am Sonntag haben Soldaten aus den Regionen um Moskau und Iwanowo eine Videobotschaft veröffentlicht, in der sie davon erzählen, dass sie illegal in die ostukrainische Region Luhansk verschleppt wurden. «Wir stehen nicht auf der Gehaltsliste des Verteidigungsministeriums», sagt ein Soldat. Angehörige dieser Männer im Video haben sie als einen Teil der 500er-Gruppe identifiziert.
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Ein weiteres Indiz für Prigoschins neue Praktiken: Filmmaterial, das vergangene Woche veröffentlicht wurde, zeigt, wie die Wagner-Gruppe mobilisierte Soldaten in Kadijiwka in der Region Luhansk festhält, bevor die Männer zu einem nicht näher bezeichneten Übungsplatz eskortiert werden.
Wer in Russland zum Militärdienst eingezogen wird, darf diesen auch bei der Wagner-Gruppe leisten. Ob Kremlchef Putin der Söldnerorganisation die Erlaubnis erteilt hat, frisch mobilisierte Soldaten abzuwerben, ist allerdings unklar.