Erst ist er Putins Koch. Dann leitet er die schlagkräftigste Militäreinheit Russlands. Jetzt mutiert Jewgeni Prigoschin (61) zum Rasputin des Kreml-Chefs. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges setzt sich der Gründer der berüchtigten Wagner-Gruppe immer wieder medial in Szene – mitunter mit provokativen Botschaften. Er kritisiert offen die russische Militärführung. Er beschwert sich, dass seine Söldnersoldaten keinen Munitionsnachschub erhielten und bezichtigt den russischen Generalstab des Hochverrats. Doch nie fällt ein negatives Wort gegen Wladimir Putin.
So sorgt auch Prigoschins jüngster, durchaus widersprüchlicher Telegram-Post für Rätselraten. Am Freitag, den 14. April 2023, erklärt der Wagner-Chef, die russische Staatsmacht solle den Abschluss der militärischen Sonderoperation verkünden und sich in den besetzten Gebieten «fest verankern». Die Kriegsziele seien gewissermassen erreicht. Der grösste Teil der erwerbstätigen männlichen Bevölkerung der Ukraine sei vernichtet, der Rest einzuschüchtern. Zudem habe Russland «die Ukraine vom Asowschen Meer und einem Grossteil des Schwarzen Meeres abgeschnitten, einen bedeutenden Teil des ukrainischen Territoriums erobert und eine Landbrücke zur Krim gesichert», so Prigoschin.
Wagner-Chef warnt vor «inneren Feinden»
Möglicher Hintergrund seiner 30-seitigen Botschaft könnte die geplante ukrainische Gegenoffensive sein, von deren Erfolg Jewgeni Prigoschin offenbar überzeugt zu sein scheint. Und der sogenannte «Aufruf zum Sieg» muss nicht einer zum Frieden sein. Tatsächlich warnen Analysten des amerikanischen Instituts für Kriegsforschung (ISW) davor, Prigoschins rhetorische Aussage in einen falschen Kontext zu stellen. Schon der Titel des Essays «Nur ein ehrlicher Kampf: Keine Verhandlungen» spreche eine andere Sprache.
Offensichtlich fürchtet der Wagner-Chef, dass eine staatliche Elite, die nicht zum engen Kreis Putins gehört, Russland zu Verhandlungen treiben könnte. Prigoschin bezeichnet sie als «Deep State». Diese «inneren Feinde» würden zu ernsthaften Zugeständnissen drängen und somit die russischen Interessen verraten. Prigoschins Schreckgespenst: Seien erst einmal Abkommen unterzeichnet, würden einst mächtige Exil-Russen wie Putins Erzfeind Michail Chodorkowski (59), Banken-Chef Mikhail Fridman (58), der ehemalige Priemierminister Arkady Dvorkovich (51) oder der Ex-Sondergesandte Anatoly Chubajs (67) nach Russland zurückkehren.
«Schritt für Schritt wird Russland zum militärischen Monster»
An anderer Stelle schreibt Prigoschin über die erwartete ukrainische Offensive: «Entweder werden die Streitkräfte der Ukraine besiegt, oder Russland wird seine Wunden lecken, seine Muskeln stärken und seine Rivalen in einem fairen Kampf auseinanderreissen». Wieder stärkt er Putin. Nichts würde die Obermacht Russlands bedrohen. Sie sei das Symbol der nationalen Einheit und des Widerstandes gegen den Westen. Eine Niederlage könnte sich sogar als Vorteil für Russland erweisen, so Prigoschin weiter, weil Russland nach dem Tiefpunkt nur aufsteigen könne. Es werde sich «Schritt für Schritt in ein militärisches Monster» verwandeln, so Prigoschin.