Kaum Munition. Kaum Kampfjets. Kaum Chancen auf einen Erfolg. Das sind laut den USA die düsteren Aussichten der Ukraine in diesem Krieg. Publik wurden sie durch die veröffentlichten Pentagon-Dokumente, die seit einer Woche die Runde im Netz machen. Die USA – der grösste Unterstützer der Ukraine – bezweifelt eine erfolgreiche Frühlingsoffensive.
Das entsprechende Dokument deutet darauf hin, dass sich die Strategie Kiews darauf konzentriert, umkämpfte Gebiete im Osten zurückzuerobern. Gleichzeitig wird die Ukraine versuchen, nach Süden vorzudringen, um Russlands Landbrücke zur Krim zu kappen, der Halbinsel, die Moskau 2014 illegal annektiert hat und nun als Nachschubweg für seine Streitkräfte innerhalb der Ukraine nutzt.
Luftabwehr ist quasi am Ende
Wie die «Washington Post» auf Berufung eigener Informanten berichtet, wurden die bescheidenen Aussichten auch vom National Intelligence Council bestätigt. Diese Einschätzung kam zu dem Schluss, dass die Ukraine wahrscheinlich nicht so viel Territorium zurückerobern wird, wie im letzten Herbst.
In einem der Dokumente, das auf den 23. Februar datiert und als «geheim» gekennzeichnet ist, wird detailliert dargelegt, wie die ukrainischen S-300-Luftabwehrsysteme aus der Sowjetzeit bei der derzeitigen Nutzungsrate bis zum 2. Mai erschöpft sein würden.
Die Pentagon-Leaks und die Ukraine
Die ukrainischen Buk-Luftabwehrsysteme, auf die sich die Ukraine zusammen mit den S-300 verlässt, könnten bis Mitte April in Schwierigkeiten geraten, berichtete «New York Times». Und die Luftabwehr zum Schutz der Truppen an der Frontlinie könnte bis zum 23. Mai «vollständig reduziert» sein.
Schwerer Schlag für ukrainische Kriegsführung
Die Veröffentlichung sensibler Daten und Einschätzungen ist für die ukrainische Führung sowohl militärisch als auch politisch ein schwerer Schlag. Präsidentenberater Mychajlo Podoljak (51) meinte, es sei kein Zufall, dass die Veröffentlichung ausgerechnet jetzt – vor Beginn der angekündigten Frühjahrsoffensive – komme. Er sieht Moskau als Quelle des Lecks.
Ändern werde man vorerst nichts an der geplanten Offensive, teilt die ukrainische Regierung am Dienstag mit – schliesslich handle es sich um Desinformation. Doch auch verfälschte Informationen können Kiew in Schwierigkeiten bringen. Umso wichtiger scheint es nun, dass die Ukraine bei ihrer bevorstehenden Frühlingsoffensive grosse Erfolge verbuchen kann.
«Danach könnte nicht mehr viel übrig sein», urteilt der Journalist Neil Hauer auf Twitter. «Der Druck auf den ukrainischen Generalstab, etwas Grosses und Erfolgreiches zu tun, ist jetzt immens. Der letzte grosse ukrainische Erfolg, die Befreiung von Cherson, ist schon fünf Monate her. Wie lange kann es noch so weitergehen, dass man im Donbass nur langsam Männer und Land verliert?»