Österreich macht bei Syrern am meisten Tempo – aber ab wann sind Rückschaffungen überhaupt möglich?
Abschieben statt Willkommenskultur!

Wegen der unsicheren Lage in Syrien wagen es viele Syrer nicht, nach Hause zurückzukehren. Doch der Druck auf sie wächst. Sogar das Willkommensland Deutschland will die Flüchtlinge loswerden. Wir zeigen, welches Land wie vorgeht und ab wann Syrer heimreisen können.
Publiziert: 14.12.2024 um 17:39 Uhr
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Aktualisiert: 15.12.2024 um 12:00 Uhr
Prägte die Willkommenskultur: die ehemalige deutsche Kanzlerin Angela Merkel 2015 beim Selfie mit einem syrischen Flüchtling.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

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Guido FelderAusland-Redaktor

Kaum ist Assad gestürzt, bereiten die ersten Länder die Rückführung von Syrern vor. Allen voran Österreich, das schon an einem Ausschaffungsplan arbeitet. Auch Deutschland will die Heimkehr beschleunigen: CDU-Vertreter schlagen einen besonderen Köder für die freiwillige Heimreise vor. 

Allerdings ist noch offen, wie sich die Lage unter einem neuen Regime in Syrien entwickeln wird. «Subito»-Abschiebungen, wie es etwa die SVP für die Schweiz fordert, kommen laut Experten zurzeit nicht infrage. Wie steht es um die Abschiebung von Syrern in Europa? Ein Überblick.

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Nach dem Sturz von Assad brach unter den Syrern in Europa – im Bild Duisburg (D) – Jubel aus.
Foto: imago/Jochen Tack

Klarheit in einem Jahr

Zurzeit leben rund 1,6 Millionen Syrer in Europa. Die Frage stellt sich, wann zeitlich frühestens an eine Heimkehr gedacht werden kann. Nahost-Experte Reinhard Schulze (71) wagt eine Schätzung: «Ich denke, dass erst in einem Jahr Klarheit herrschen wird, wie rechtssicher, stabil und tragfähig die neue Ordnung sein wird.»

Derzeit leben rund 90 Prozent der Menschen unter der syrischen Armutsgrenze. Diese liegt für eine Familie bei rund 200 Dollar, was auch dem monatlichen Durchschnittseinkommen entspricht. Die syrische Währung ist praktisch wertlos.

So planen europäische Staaten

In mehreren europäischen Ländern wie etwa Grossbritannien, Norwegen und Italien werden Asylverfahren sistiert. Auch sind schon Pläne in Ausarbeitung, die zeigen sollen, wie man Flüchtlinge heimschaffen könnte. Wir zeigen in einer Auswahl, wer wie vorgeht. 

Österreich: Drückt am meisten aufs Tempo. ÖVP-Kanzler Karl Nehammer (52) kündigte gegenüber der «Bild» einen Abschiebeplan an. Dabei geht es in erster Linie darum, Syrern die Rückkehr schmackhaft zu machen. Zudem wird eine Liste für zwangsweise Rückführungen vorbereitet. Sie kommt zum Einsatz, wenn sich die Lage in Syrien geklärt hat. Straftäter sowie integrations- und arbeitsunwillige Personen sollen priorisiert werden. In Österreich leben rund 100'000 Syrer, es ist eine der grössten Exilbevölkerungen in Europa. 

Deutschland: Als vor neun Jahren Syrer nach Europa strömten, gaben viele als Ziel an: «Wir wollen zu Merkel.» Inzwischen leben 974'000 Syrer in Deutschland, dessen Willkommenskultur definitiv Geschichte ist. Asylanträge werden ausgesetzt. Jens Spahn (44), CDU-Vize und ehemaliger Gesundheitsminister, schlägt vor, Rückkehrwilligen einen gratis Flug anzubieten und 1000 Euro Startgeld in die Hand zu drücken. Die CDU dürfte am 23. Februar die Wahlen gewinnen und somit bei diesem Thema massgebend bestimmen. 

Schweden: Auch Schweden war wegen der offenen Asylpolitik ein beliebtes Ziel der Syrer. Von den 162'877 registrierten Asylsuchenden im Jahr 2015 stammten 51'338 aus Syrien. Wegen der «fragilen Lage» in Syrien wird die Bearbeitung der Anträge ausgesetzt.

Dänemark: Schon im Jahr 2020 hatte das Land wegen der sich beruhigenden Lage in Syrien begonnen, Hunderte Fälle der rund 30'000 Syrer neu zu überprüfen. Es gab aber keine Abschiebungen. 

Frankreich: Eine Entscheidung über die Aussetzung der Verfahren wird bald fallen. In Frankreich haben rund 45'000 Syrer Asyl erhalten.

Schweiz: In der Schweiz leben rund 28'000 Syrer. Die rund 500 laufenden Asylverfahren werden ausgesetzt. Bei Syrern mit vorläufigem Schutzstatus passiert kurzfristig nichts, was sich aber ändern könnte, wenn Syrien als sicher eingestuft wird. Generell können freiwillige Rückkehrer finanzielle Unterstützung erhalten, die für eine Familie bis 5000 Franken betragen kann.

Dem SVP-Präsidenten Marcel Dettling (43) geht die Schweiz zu wenig entschlossen vor. Er fordert: «Wenn Syrer in der Schweiz über das Ende von Assad jubeln, sollen sie auch gleich alle retour, aber subito!» 

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