Reaktion auf Assad-Sturz
Schweiz legt Asylverfahren von Syrern per sofort auf Eis

Nach der Machtübernahme in Syrien herrscht Ungewissheit: Der Bund sistiert wie die Nachbarländer Deutschland und Österreich alle Asylverfahren und -entscheide für syrische Flüchtlinge. Was passiert nun? Blick klärt die brennendsten Fragen zur neuen Lage.
Publiziert: 09.12.2024 um 17:23 Uhr
|
Aktualisiert: 09.12.2024 um 17:29 Uhr
1/6
In Syrien übernehmen islamistische Rebellen die Macht. Was bedeutet das für die Schweiz?
Foto: AFP

Auf einen Blick

  • Bashar al-Assad gestürzt, Schweiz prüft Auswirkungen
  • SVP fordert Rückführung, Bund und Hilfswerke mahnen zur Vorsicht
  • Schweiz wendete seit Kriegsbeginn 740 Millionen Franken für Syrien auf
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_817.JPG
Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Bashar al-Assad (59) ist weg. Der syrische Machthaber wurde dieses Wochenende durch Rebellengruppen unter Führung des islamistischen Bündnisses Hai'at Tahrir asch-Scham gestürzt. Sie eroberten weite Teile des Landes.

Seit 13 Jahren befindet sich das Land im Bürgerkrieg – auch mit dem Putsch wird sich dies nicht so rasch ändern. Was bedeutet die Situation für die Schweiz? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.

Welche Massnahmen ergreift die Schweiz nun?

Deutschland und Österreich treten auf die Bremse: Solange die Sicherheitslage in Syrien nach der Machtübernahme nicht richtig zu beurteilen ist, werden alle Asylentscheide für Syrerinnen und Syrer auf Eis gelegt. Dies betreffe auch den Familiennachzug, teilt etwa die österreichische Regierung mit. Und die Schweiz? «Stand heute ist das nicht vorgesehen», teilt das SEM am späteren Nachmittag mit. Es sei aber je nach Entwicklung Gegenstand regelmässiger Überprüfungen.

Bereits eine Stunde später tönt es anders: Wie das SEM auf dem Kurznachrichtendienst X schreibt, würden Asylverfahren und -entscheide bei Asylsuchenden aus Syrien per sofort sistiert – zumindest bis die Situation neu beurteilt werden könne.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Welche Beziehungen pflegt die Schweiz zu Syrien?

Eine Vertretung in Syrien hat die Schweiz bereits seit 12 Jahren nicht mehr. 2012 – knapp ein Jahr nach Beginn des Bürgerkrieges – schloss die Eidgenossenschaft ihre Botschaft in Damaskus.

Dafür überweist der Bund als Teil der internationalen Gemeinschaft jährlich mehrere Millionen Franken an Hilfsgelder in die Region. Wie Aussenminister Ignazio Cassis (63) am Montag dem Parlament mitteilte, habe die Schweiz seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 740 Millionen aufgewendet. Das Geld fliesst unter anderem in die aktive Friedensförderung sowie Bildungsinitiativen und Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete.

Wie viele syrische Flüchtlinge kamen bisher in die Schweiz?

Neben humanitärer Hilfe vor Ort nahm die Schweiz in den letzten 13 Jahren auch zahlreiche syrische Flüchtlinge auf. Damit wurde Syrien zu einem der wichtigsten Herkunftsländer von Asylsuchenden. Letztes Jahr reichten 1417 syrische Staatsangehörige ein Asylgesuch ein, bei mehr als einem Drittel handelte es sich um Familiennachzüge.

Zwar gewährt die Schweiz über 80 Prozent der Gesuchstellerinnen und -steller Schutz. Mehr als die Hälfte werden aber nur vorläufig aufgenommen. Denn laut Bundesgesetz gilt ein Bürgerkrieg nicht als ausreichender Grund für die Gewährung von Asyl. Insgesamt hielten sich laut dem Bundesamt für Statistik Ende letztes Jahr rund 28'000 syrische Staatsangehörige in der Schweiz auf.

Können syrische Flüchtlinge nun mit dem Machtwechsel konsequenter rückgeführt werden?

SVP-Präsident Marcel Dettling (43) forderte bei Blick bereits die konsequente Rückführung syrischer Flüchtlinge. Doch Bund und Hilfswerke mahnen zur Vorsicht. Laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) sei es noch zu früh, um die Lage richtig beurteilen zu können. «Es kommt jetzt darauf an, welche Mächte sich im Land installieren und etablieren», so SEM-Sprecher Reto Kormann.

Aussenminister Cassis wählte am Montag vor dem Parlament noch deutlichere Worte: «Das Land ist in einem miserablen Zustand», stellte der Bundesrat klar. Ähnlich tönt es von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. «Man darf nicht vergessen, dass Syrien durch 13 Jahre Bürgerkrieg zerstört ist und die Lebensbedingungen sehr schwierig sind», teilt das Hilfswerk mit. Zudem würden die Kämpfe im Norden des Landes, der sich in kurdischer Hand befindet, auch nach der Machtübernahme weitergehen.

Haben Syrerinnen und Syrer, die zurückkehren, Anspruch auf Hilfsgelder?

Wer als Flüchtling freiwillig ins Heimatland zurückwill, erhält vom Bund sogenannte Rückkehrhilfe. So beraten und organisieren Bund und Kantone bei der Heimkehr und übernehmen Reisekosten. Zudem steht jeder erwachsenen Person eine Pauschale von 1000 Franken und «materielle Zusatzhilfe» von bis zu 5000 Franken zu.

Personen, die straffällig geworden sind oder die sich während oder nach dem Verfahren missbräuchlich verhalten haben, sind laut dem SEM davon ausgeschlossen. Doch auch sie können auf finanzielle Mithilfe hoffen: Als die Schweiz dieses Jahr etwa zwei rechtskräftig verurteilte Afghanen nach Kabul ausschaffte, gab ihnen der Bund für die Wiedereingliederung im Heimatland 500 Franken «Sackgeld» mit. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?