«Wo ist meine Munition?!» In dieser Woche platzte dem Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin (61), der Kragen. Erst beleidigte er den russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu (67) und den Kommandanten der russischen Truppen, Waleri Gerassimow (67), in einem Video, wenig später kündigte er den Abzug seiner Truppen aus der ostukrainischen Stadt Bachmut an.
Die Serie von Wut-Videos, in der vor allem die russische Militärführung ihr Fett abbekommt, deuten laut den Experten vom US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) auf eine Sache hin: Das russische Verteidigungsministerium sieht die Eroberung von Bachmut nicht mehr als oberstes Ziel. Wichtiger ist jetzt die Vorbereitung auf die kommende Gegenoffensive der Ukrainer.
«Abschaum» Schoigu und Gerassimow
Prigoschins Söldner spielen eine Schlüsselrolle im Kampf um die östliche Industriestadt in der Ukraine. Seit Monaten liefert sich der Wagner-Chef einen öffentlichen Machtkampf mit der russischen Militärführung. Gleichzeitig hebt er immer wieder die Erfolge seiner Truppe in der Ukraine hervor.
In seiner letzten öffentlichen Tirade bezeichnete er Schoigu und Gerassimow als «Abschaum» und beschuldigte sie, den Wagner-Kämpfern Munition vorenthalten zu haben. In einem am Freitag veröffentlichten Clip erklärte Prigoschin zudem, er werde seine Söldner am 10. Mai aus der umkämpften Stadt abziehen, wenn Moskau die Söldner nicht mit zusätzlicher militärischer Hilfe versorgen würde. Seine Truppen sind ohne Munition «zu einem sinnlosen Tod verurteilt», behauptete der Söldnerführer.
«Prigoschins spürbare Verzweiflung in den Videos, von denen eines die Leichen kürzlich verstorbener Wagner-Kämpfer zeigt, markiert eine bedeutende Wendung in seinen anhaltenden Bitten um verstärkte Unterstützung des russischen Verteidigungsministeriums für Wagner in Bachmut», schreibt das ISW. «Seine sichtbare Wut deutet darauf hin, dass das russische Verteidigungsministerium Bachmut wahrscheinlich herabgestuft und den operativen Fokus auf andere Stellen verlagert hat, die Wagners Fähigkeit, effektiv zu arbeiten, ernsthaft beeinträchtigen könnte», glauben die Experten.
Schwere Verluste in Bachmut
Laut ISW hätte Prigoschin trotz des Munitionsstreits keine Bereitschaft signalisiert, von seinen Bemühungen, Bachmut zu erobern, Abstand zu nehmen. Der Denkfabrik zufolge machen die russischen Streitkräfte in dem Gebiet zwar Fortschritte, diese beginnen sich allerdings zunehmend zu verlangsamen.
Der Kampf um Bachmut hat auf russischer und ukrainischer Seite zu schweren Verlusten geführt, insbesondere auch unter den Wagner-Streitkräften. Das ISW resümiert in seinem Lage-Bericht vom Freitag, dass die «Verluste, die Wagner in Bachmut erlitten hat, zusammen mit der wahrscheinlichen Herabstufung der Bachmut-Bemühungen durch das russische Verteidigungsministerium, Prigoschin und Wagner in eine besonders schlechte Lage bringen könnten». Vorausgesetzt, er bleibt in diesem Punkt so eigensinnig.