Die Drohne steuert auf den Kreml zu. Unmittelbar vor dem Einschlag entzündet sie sich. Über dem russischen Machtzentrum steigt Rauch auf. Moskau sieht darin einen Mordanschlag auf Präsident Wladimir Putin (70), angeblich ausgeführt vom ukrainischen Militär.
Kiew dementiert diese Behauptung. Die Ukraine habe damit nichts zu tun. Experten gehen davon aus, dass Putin den Angriff inszeniert hat.
Russen sollen sich bedroht fühlen
Putin könnte den Angriff nutzen, um eine weitere Mobilisierungswelle auszurufen, glauben die Experten vom US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW). Er wolle dem Volk mit der Attacke weismachen, dass die Ukraine den Krieg bis vor die Haustür der Russen tragen will. Die russische Bevölkerung soll sich bedroht fühlen. Es sei äusserst unwahrscheinlich, dass zwei ukrainische Drohnen die Luftverteidigung in Moskau problemlos durchdringen und direkt über dem Kreml explodieren könnten, schreibt das ISW. Zumal die Luftabwehrsysteme im Inland, auch rund um Moskau, erst vor kurzem verstärkt worden waren.
Zudem verdächtig: «Die sofortige, kohärente und koordinierte Reaktion des Kremls auf den Vorfall legt nahe, dass der Angriff intern so vorbereitet wurde, dass seine beabsichtigten politischen Auswirkungen» erreicht würden. Der Kreml beschuldigte die Ukraine sofort nach dem Angriff.
Wäre der Angriff nicht inszeniert gewesen, hätte er den Kreml überrascht und die offizielle russische Reaktion wäre weit weniger organisiert ausgefallen. In der Vergangenheit habe der Kreml es bei überraschenden Angriffen stets versäumt, kohärent auf diese zu reagieren. Die Militärexperten gehen davon aus, dass der Kreml möglicherweise weitere Täuschungsmanöver plant, um die innenpolitische Unterstützung für den Krieg zu erhöhen.
Bombardierung intensiviert
Ferner stellt sich die Frage, ob Russland den Vorfall nutzen wird, um weitere und noch tödlichere Angriffe auf die Ukraine zu rechtfertigen. Russland hat seine Bombardierung der ukrainischen Infrastruktur nach der Explosion auf der Krim-Brücke intensiviert, und prorussische Stimmen in den sozialen Medien forderten am Mittwoch rasch neue Vergeltungsmassnahmen. «Wir werden den Einsatz von Waffen fordern, die in der Lage sind, das Kiewer Terrorregime zu stoppen und zu zerstören», erklärte Wjatscheslaw Wolodin (59), der Vorsitzende des russischen Unterhauses des Parlaments.