Etwa 2000 von der Ukraine gefangen genommene russische Kämpfer sind im Rahmen von Gefangenenaustauschen frei gekommen. Das russischsprachige Newsportal Sewer.Realii hat mit mehreren von ihnen gesprochen. Dabei wird klar: Der Krieg hat Spuren hinterlassen.
Viktor (43) kommt aus einem 3000-Seelen-Dorf bei St. Petersburg. Er kämpfte bereits in Tschetschenien und Georgien. Er fühlt sich «im Krieg viel wohler» als in seiner Heimat, gibt er an. In der Ukraine war er seit Ende Juli 2022 für die Söldnergruppe «Veteranen» im Einsatz, ein privates Militärunternehmen. Die Söldner gerieten zwei Wochen später in der Region Isjum unter Beschuss und er wurde gefangen genommen.
«Von 42 Menschen haben fünf von uns überlebt», berichtet er. Er erzählt auch von Gewalt durch die Ukrainer. Vier Rippen hätten sie ihm gebrochen. «Sie versuchten, die Namen von Offizieren, Rufzeichen und die Nummer der Militäreinheit herauszufinden. Ich habe gar nichts gesagt.»
«Alle dachten, ich wäre tot»
Die Haftbedingungen nennt er «normal»: eine Zelle mit neun Etagenbetten, einmal pro Woche duschen, drei Mahlzeiten am Tag, meistens gab es Maisbrei. Er erhielt Seife, Shampoo und Zahnpasta.
Seiner Familie wurde derweil im September 2022 mitgeteilt, dass er gestorben sei. «Alle dachten, ich wäre tot.» Dann kam das Rote Kreuz ins Gefängnis, die Helfer riefen seine Eltern an und erklärten, dass er am Leben sei. Am 1. Dezember kehrte er nach Russland zurück.
Im Söldner-Hauptquartier erhielt er vier Millionen Rubel (rund 44'500 Franken). Von dem Geld kaufte er sich eine Wohnung. Jetzt wartet er auf «einen Anruf», sagt Viktor. Er will zurück an die Front.
Nach Streit mit Frau an der Front
Auch Dmitri (47) wurde gefangen genommen. Er hat einen Alkoholentzug hinter sich. Nach einem Streit mit seiner Frau im März 2022 meldete er sich zum Wehrdienst und unterschrieb einen Dreimonatsvertrag. Sofort wurde er in die Ukraine geschickt. Wann und wie er gefangen genommen wurde, sagt er nicht.
Nur weil ihn ein Journalist interviewte, erfuhren seine Angehörigen, dass er noch lebte. «Ja, ich bin ein Besatzer, niemand hat hier auf mich gewartet», sagte er damals. Nach dem Gefangenenaustausch wurde ihm mitgeteilt, dass er verpflichtet sei, ins Militär zurückzukehren.
Der Krieg in der Ukraine
Sein Vertrag war in seiner Abwesenheit «bis zum Ende der militärischen Spezialoperation» verlängert worden. Aber: Dmitri will nichts mehr mit dem russischen Militär zu tun haben. «Ich gehe lieber zu Wagner, da ist nicht so ein Durcheinander», erklärt er.
Seine Frau hat mittlerweile die Scheidung eingereicht.