Auf einen Blick
- Machtwechsel in Syrien: HTS übernimmt Kontrolle in Damaskus
- Verschiedene Gruppierungen kämpfen um Einfluss in unterschiedlichen Landesteilen Syriens
- Assad mutmasslich nach Russland geflohen
- USA und Russland behalten Militärstützpunkte
Nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (59) stellt sich die Frage, wer in Syrien die Macht übernimmt. Neben der islamistischen Gruppe HTS, die für den Sturz des Diktators verantwortlich ist, gibt es noch andere Gruppierungen, die in anderen Teilen des Landes vorherrschen. Blick erklärt, wie sich die Gruppierungen aufteilen und von wem sie unterstützt werden.
Haiat Tahrir al-Scham (HTS)
Die HTS ist eine islamistische Miliz, die im syrischen Bürgerkrieg aktiv ist. Ursprünglich wurde die Gruppierung 2011 als direkter Ableger der Al Kaida gegründet und hiess al-Nusra-Front. Sie galt als eine der wirksamsten und tödlichsten Gruppen, die gegen Präsident Assad kämpften. Ihr Anführer Mohammed al-Dschulani (42) trennte die Gruppe 2016 von der Al Kaida und versuchte dadurch, ein moderateres Image zu fördern.
Nachdem die HTS Damaskus für «frei» erklärt hat, kündigte Dschulani an, die Macht friedlich übernehmen zu wollen. Öffentliche Einrichtungen bleiben bis zur Übergabe unter der Aufsicht des ehemaligen Ministerpräsidenten, erklärte er in den sozialen Medien. Militärische Eingriffe seien verboten.
Die HTS kontrolliert grosse Teile des Nordwestens Syriens und ist besonders in der Provinz Idlib stark vertreten. Mehrere Staaten stufen die Gruppierung als Terrororganisation ein. Dazu zählen die USA, die EU, Russland und auch die Türkei. Die Einstufung als Terrororganisation ist für die Gruppe hinderlich, internationale Anerkennung oder Unterstützung zu erlangen.
Demokratische Kräfte Syriens (DKS/SDF)
Die zweitgrösste Gruppierung im Kampf gegen das Assad-Regime in Syrien sind die Demokratischen Kräfte Syrien (DKS) oder auch Syrian Democratic Forces (SDF). Die vor allem kurdisch geführte Koalition verschiedener Milizen hat sich im Nordosten Syriens etabliert und könnte versuchen, Einfluss auf den Machtwechsel im Land zu nehmen.
Das Hauptziel der Gruppierung ist der Kampf gegen den IS, der Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten und ein föderales Staatsmodell. Die DKS arbeiten eng mit den USA zusammen.
Die Volksverteidiungsheinheit YPG
Die YPG ist eine kurdische militärische Organisation und seit 2015 eng mit den DKS verbunden. Sie gilt als der «militärische Arm» der Demokratischen Kräfte Syriens. Von der Türkei wird die YPG als Terrororganisation eingestuft. Von den USA erhält sie allerdings Unterstützung im Kampf gegen den IS.
Syrische Nationale Armee (SNA), Freie Syrische Armee (FSA)
Die syrische nationale Armee ist eine Koalition verschiedener Rebellengruppen, die von der Türkei unterstützt wird. Seit 2017 kämpft die Organisation gegen Assad und ist im Norden Syriens vertreten.
Ihr Ziel ist es, die syrische Regierung, wie auch kurdische Gruppen wie die YPG, zu bekämpfen. Die von der Türkei unterstützte Syrische Nationalarmee hat jüngsten Berichten zufolge die Kontrolle über den Ort Manbidsch im Norden Syriens übernommen. Zuvor sei es zu Zusammenstössen mit den Syrischen Demokratischen Kräften (DKS/SDF) gekommen.
Syrische Regierungstruppen
Während der letzten Woche mussten die Regierungstruppen Syriens erhebliche Gebietsverluste hinnehmen und wurden von den Rebellen immer weiter zurückgedrängt. Die Stadt Aleppo wurde bereits Anfang Dezember von Rebellen erobert und auch in Damaskus haben sie jüngst die Macht ergriffen. Langzeit-Diktator Baschar al-Assad wurde dadurch ins Exil vertrieben. Gemäss russischen Berichten sollen Assad und seine Familie nach Moskau geflüchtet sein.
Russische und amerikanische Militärstützpunkte in Syrien
Russland unterhält mehrere Militärstützpunkte in Syrien. Im Westen Syriens befindet sich die Luftwaffenbasis, die eine zentrale Rolle bei militärischen Operationen gegen die oppositionellen Kräfte und den IS spielt. In Moskau heisst es, dass man in Kontakt mit den Gruppierungen in Syrien sei und den Militärstützpunkten derzeit keine Gefahr drohe.
Die neuen Machthaber in Syrien haben russischen Staatsmedien zufolge «die Sicherheit» russischer Militärstützpunkte in dem Land «garantiert». Dies berichten die staatlichen russischen Nachrichtenagenturen Tass und RIA Nowosti. Sie berufen sich auf eine Quelle im Kreml. Die Unterstützung des Assad-Regimes durch Russland habe das Ziel, die Macht der USA zu untergraben, schreibt das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in einer aktuellen Einschätzung.
Auch die USA unterhält militärische Stützpunkte in Syrien. Der amtierende US-Präsident Joe Biden verkündete, dass die US-Truppen weiter im Land verbleiben und gegen den IS kämpfen werden. Die USA würden nicht zulassen, dass die Terrormiliz die Geschehnisse ausnutzen könne, um ihren Einfluss wieder auszubauen. Die amerikanischen Truppen sind hauptsächlich im Nordosten des Landes stationiert.