Der neue russische Kommandant Sergei Surowikin (56) ist bekannt für seine skrupellose Taktik. Als Surowikin in Syrien 2019 Spitäler und Wohngebiete bombardierte, erhielt er den Spitznamen «General Armageddon».
In einem Interview mit Russia 24 deutete er am Dienstag bereits an, auf welche Weise er den Feind «zermalmen» will. Der australische Militärexperte Mick Ryan hat die jüngsten Handlungen des russischen Generals analysiert und erklärt auf Twitter, was Surowikins nächste Schritte sein könnten.
Man spüre bereits, dass «General Armageddon» übernommen habe, denn die Russen haben ihre Strategie geändert. Putins Truppen nehmen die kritische Infrastruktur in der Ukraine ins Visier. Per Fernbeschuss werden Kraftwerke, Öl- und Gasspeicher sowie Verkehrsknotenpunkte angegriffen. Ein Ablenkungsmanöver, das Surowikins Truppen an der Front Zeit verschaffen soll, sich auf den nächsten Angriff vorzubereiten.
Strategiewechsel aus der Not entstanden
Auch andere Experten sehen eine solche Veränderung. «Es sieht nach einem Strategiewechsel aus, ähnlich jenem der deutschen Luftwaffe im September 1940 in der Luftschlacht um England, als militärische Ziele durch zivile Ziele ersetzt wurden», sagte ETH-Sicherheitsexperte Mauro Mantovani (59) diese Woche zu Blick.
Dieser Strategiewechsel sei aus der Not entstanden, weil Putins Truppen mit der Bekämpfung militärischer Ziele nicht mehr weiter kommen, erklärt Mantovani. Surowikin räumte in einem Interview ein, dass seine Truppen Schwierigkeiten hätten, die südliche Stadt Cherson zu halten. Und er deutete sogar an, sich aus der Region zurückzuziehen.
Katastrophe wie in Lyman verhindern
«General Armageddon» steht vor einer schweren Aufgabe. Er soll die Russen zum Sieg führen. Seine Vorgänger sind gescheitert. Da es auf dem Schlachtfeld nicht ging, versucht Surowikin die Ukraine mit Luftangriffen mürbe zu machen. Eine alt bewährte Strategie, die er bereits im Syrien-Krieg eingesetzt hat.
In der Ukraine sei die Taktik gerade jetzt entscheidend. Damit gewinnt der General vor allem Zeit. Denn: Die russischen Soldaten sind müde. Es fehlt an Motivation und an Ausrüstung. Putin hat mit der Teilmobilisierung für Nachschub gesorgt. Mit Surowikins Manövern haben die einberufenen Russen nun genug Zeit, ins Kriegsgebiet zu kommen, ebenso wie Ausrüstung und Munition. Es sei wichtig, die entstanden Lücken in der Armee zu schliessen.
Militärexperte Mick Ryan ist davon überzeugt, dass Surowikin davon ausgehe, Gebiete an der Front aufgeben zu müssen, um seine Soldaten nicht zu verlieren. Die entscheidenden Gebiete werde er aber bis im Frühjahr 2023 verteidigen. Vor allem werde er die Nachschubrouten schützen, damit die Versorgung der Truppen gesichert ist. Eine erneute Katastrophe wie in Lyman will er vermeiden. Ende September wurden die Russen in der Stadt von der ukrainischen Armee eingekesselt.
Krieg soll so lange wie möglich andauern
Im Frühjahr 2023 werde Surowikin laut dem australischen Miltärexperten wieder vermehrt auf Bodentruppen setzen und Offensiven planen. Darauf sollen die Soldaten in den nächsten Monaten vorbereitet werden.
Putin erwartet von Surowikin, dass er den Krieg so lange wie möglich in die Länge zieht. Der Kremlchef gehe wohl davon aus, dass der Westen sein Interesse am Krieg verlieren und aufhören werde, die Ukraine mit Waffen und Geld zu unterstützen.
Auch wenn die Strategien Russlands bisher stark bemängelt wurden, warnt Ryan davor, dass Surowikin durchaus über eine Planungsgabe verfügt und seine neuen Strategien nicht zu unterschätzen seien.