«Wenn sie Beryslaw einnehmen, ist es aus»
Putins Truppen zittern vor Ukraine-Offensive

Die Ukraine versucht, Cherson zurückzuerobern. Währenddessen bringen die von Putin eingesetzten Verwalter die Zivilisten auf die andere Seite des Dnipro. Um ihre Sicherheit machen sich offenbar auch die russischen Soldaten sorgen, wie ein abgehörtes Telefonat zeigt.
Publiziert: 20.10.2022 um 15:25 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2022 um 15:46 Uhr
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Das ukrainische Militär ist dabei, die Region Cherson zurück zu erobern.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images

Die ukrainische Armee hat Cherson anvisiert. Diese von den russischen Truppen besetzte Region im Süden des Landes soll nach dem Erfolg der Gegenoffensive in Charkiw als Nächstes wieder unter Kiews Kontrolle kommen.

Letzte Woche konnten Selenskis Truppen nach eigenen Angaben mehr als 400 Quadratkilometer Gebiet in der Region zurückerobern. Diese Woche wird der Kampf fortgesetzt.

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte am Donnerstag, dass die Ukrainer versucht hätten, die russischen Positionen in Cherson durchzubrechen. Nach Angaben des Sprechers Igor Konaschenkow (56) seien diese aber abgewehrt worden. Konkret soll die ukrainische Armee in Nowaja Kamenka und Tscherwonyj Jar am rechten Ufer des Dnipro angegriffen haben.

«Sie wollen uns umzingeln»

Rund 40 Kilometer südlich von Tscherwonyj Jar liegt die Stadt Beryslaw. Dort bereitet der Gegenangriff der Ukrainer den russischen Soldaten offenbar grosse Sorgen. Das soll zumindest eine Tondatei beweisen, die vom ukrainischen Geheimdienst veröffentlicht wurde. Die Echtheit der Aufnahme kann nicht überprüft werden. Auch ist unklar, wann genau diese entstanden sein soll.

Nach Angaben des Geheimdienstes handelt es sich um ein abgehörtes Telefongespräch. Darin soll der Soldat einer Frau erzählen, wie es an der Front aussehe. «Es kommt zu einigen Schusswechseln. Es sieht so aus, als wollten sie uns in einen ‹Kessel nehmen›, um uns zu umzingeln. Es kam die Nachricht, dass sie nach Beryslaw fahren wollen. Wenn sie Beryslaw einnehmen, ist es aus: Entweder wir löschen sie aus oder schwimmen alleine den Dnipro durch, um zu überleben.»

Der Soldat sagt, dass er es nicht verstehen könne, warum seine Kollegen die Ukrainer nicht aufhalten können. «Wenn unsere Truppen sie dort, an der rechten Flanke, nicht halten können, sind wir eingekesselt.» Die Frau lacht daraufhin. Warum, ist unklar.

«Ich hoffe, dass sie uns nicht in einem Monat einnehmen können und ich dann von hier nach Hause verschwinden kann. Dort werde ich sicher von niemandem eingekesselt», sagt der Soldat weiter.

Einwohner evakuiert

Der ukrainische Gegenangriff in Cherson ist bereits seit mehreren Tagen ein grosses Thema. Die von Kreml-Chef Wladimir Putin (70) eingesetzte Verwaltung evakuiert deshalb Zivilisten aus der Region.

Wie BBC Russia schreibt, haben die Einwohner am Mittwoch eine SMS erhalten, in denen sie aufgefordert wurden, sich «wegen des drohenden Beschusses durch die ukrainischen Streitkräfte» dringend zu evakuieren. Bis zu 50 Kilogramm Gepäck dürfen sie dabei mitnehmen.

Laut dem Verwaltungschef Wladimir Saldo (66) sind bereits 7000 Mensch mit kleinen Dampfern auf das linke Dnipro-Ufer gebracht worden. «Wir haben geschätzt, dass wir 50'000 bis 60'000 Menschen auf das linke Ufer und, wer will, auch in andere Regionen der Russischen Föderation umsiedeln wollen», sagte Saldo am Mittwoch.

«Schwierige Entscheidungen»

Am Dienstag meldete sich auch Putins neuer General, Sergej Surowikin (56), erstmals zu Wort. «Unsere weiteren Pläne und Handlungen in Bezug auf die Stadt Cherson werden von der sich entwickelnden militärischen und taktischen Situation abhängen. Sie ist schon heute sehr schwierig.»

Es sei nicht auszuschliessen, dass «schwierige Entscheidungen» getroffen werden müssen, sagte Surowikin weiter. Ob er damit einen Rückzug aus Cherson meint oder umgekehrt einen brutalen Angriff plant, ist unklar. Weitere Details zu seinem Vorhaben erläuterte Surowikin nicht. (man)

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