Die Erleichterung war gross, als Russland und der Irak nach massiven und schnellen Interventionen verkündeten, dass der IS endlich besiegt sei. Das war 2017. Seither ist die Zahl der grossen Terroranschläge zurückgegangen.
Doch die anfängliche Ruhe war trügerisch. Für westliche Geheimdienstexperten war schon nach den territorialen Verlusten der Terrororganisation klar, dass sich die IS-Kaderleute im Irak und in Syrien in den Untergrund zurückziehen und sich neu formieren würden.
So sind tatsächlich viele überlebende Kämpfer in ihre Dörfer zurückgekehrt und haben sich unter die Bevölkerung gemischt. Mauro Mantovani (57), Dozent Strategische Studien an der Militärakademie der ETH Zürich, sagt dem BLICK: «Der IS war nie wirklich weg. Zwar hat er seine Gebiete in Syrien und Irak verloren, seine Kämpfer führen aber weiter einen Guerillakrieg mit Terroranschlägen vor Ort.» IS-Ableger fänden sich heute noch in Regionen wie Afghanistan, dem Jemen, den Philippinen, in der Sahelzone sowie in Mosambik.
Ausländer nicht mehr erwünscht
Durch die Angriffe der internationalen Koalition war die Zahl der aktiven IS-Kämpfer von einst rund 50’000 auf unter 12’000 Mann dezimiert worden. Diese haben sich eine neue Führungsstruktur verpasst: Statt ein Pseudostaat sind sie nun eine Untergrundorganisation, die sich vor allem auf ihre Ursprungsgebiete in Syrien und dem Irak konzentriert. Ausländische Kämpfer sind heute nicht mehr erwünscht, weil sie zu sehr auffallen.
Nach den grossen islamistischen Anschlägen in Paris 2015 und Brüssel 2016 wurden die Kontrollen in Europa massiv verschärft. Dank intensiver Überwachung von Gefährdern fliegen Dschihadisten oft rechtzeitig auf. Dennoch gelingt es einzelnen IS-Sympathisanten immer wieder, für Schrecken zu sorgen.
Eine Auswahl von Attentaten in den vergangenen zwei Jahren:
Am 11. Dezember 2018 schiesst beim Weihnachtsmarkt in Strassburg (F) ein Franzose mit marokkanischen Wurzeln auf Passanten. Es gibt sechs Tote.
Am 3. Oktober 2019 ersticht ein konvertierter Polizist in Paris vier Kollegen, bevor er selber erschossen wird.
Am 18. August 2020 rammt ein Iraker bei einer Amokfahrt auf der Berliner Stadtautobahn mehrere Töfffahrer. Sechs Personen werden zum Teil schwer verletzt.
Am 4. Oktober 2020 greift ein Syrer in Dresden (D) Touristen an. Er tötet einen Mann und verletzt dessen Partner schwer.
Am 16. Oktober 2020 enthauptet ein Tschetschene bei Paris einen Lehrer auf offener Strasse, weil dieser in der Schule Mohammed-Karikaturen thematisiert hatte. Der Täter wird erschossen.
Am 29. Oktober 2020 ersticht ein Tunesier in Nizza drei Kirchgänger.
Am 2. November 2020 erschiesst ein österreichisch-nordmazedonischer IS-Sympathisant in Wien vier Menschen und verletzt 23. Der Täter, der Kontakte in die Schweiz hatte, wird erschossen. (gf)
Nach den grossen islamistischen Anschlägen in Paris 2015 und Brüssel 2016 wurden die Kontrollen in Europa massiv verschärft. Dank intensiver Überwachung von Gefährdern fliegen Dschihadisten oft rechtzeitig auf. Dennoch gelingt es einzelnen IS-Sympathisanten immer wieder, für Schrecken zu sorgen.
Eine Auswahl von Attentaten in den vergangenen zwei Jahren:
Am 11. Dezember 2018 schiesst beim Weihnachtsmarkt in Strassburg (F) ein Franzose mit marokkanischen Wurzeln auf Passanten. Es gibt sechs Tote.
Am 3. Oktober 2019 ersticht ein konvertierter Polizist in Paris vier Kollegen, bevor er selber erschossen wird.
Am 18. August 2020 rammt ein Iraker bei einer Amokfahrt auf der Berliner Stadtautobahn mehrere Töfffahrer. Sechs Personen werden zum Teil schwer verletzt.
Am 4. Oktober 2020 greift ein Syrer in Dresden (D) Touristen an. Er tötet einen Mann und verletzt dessen Partner schwer.
Am 16. Oktober 2020 enthauptet ein Tschetschene bei Paris einen Lehrer auf offener Strasse, weil dieser in der Schule Mohammed-Karikaturen thematisiert hatte. Der Täter wird erschossen.
Am 29. Oktober 2020 ersticht ein Tunesier in Nizza drei Kirchgänger.
Am 2. November 2020 erschiesst ein österreichisch-nordmazedonischer IS-Sympathisant in Wien vier Menschen und verletzt 23. Der Täter, der Kontakte in die Schweiz hatte, wird erschossen. (gf)
In ihrem neuen Buch «Der Islamische Staat: Geschlagen – nicht besiegt» schreiben die deutschen Terrorexperten Rolf Tophoven und H.-Daniel Holz: «Das Wiedererstarken des IS hat nicht zuletzt mit der Schwäche der Regierung in Bagdad und dem Versagen der korrupten politischen Klasse zu tun.»
Schiffscontainer mit Geld und Waffen
Trotz der empfindlichen Schläge der internationalen Anti-IS-Koalition ist die Kriegskasse der Islamisten immer noch gut gefüllt. Aus Ölverkäufen, Drogenschmuggel, Verkauf von erbeuteten Kunstgegenständen, Lösegeld aus Entführungen sowie massiven Steuereintreibungen in eroberten Gebieten sollen immer noch 400 Millionen bis eine Milliarde Dollar als «stille Reserve» in Verstecken liegen.
Experten gehen davon aus, dass die Dschihadisten ganze Schiffscontainer mit Bargeld und Waffen vergraben haben und sich nun daraus bedienen.
Grösste Gefahr Einzeltäter
Mauro Mantovani rechnet zurzeit in Europa nicht mehr mit grossangelegten Terroroperationen wie etwa bei den Anschlägen in Paris 2015 oder in Brüssel 2016. «Die grösste Gefahr dürfte derzeit von Einzeltätern ausgehen, die vom IS oder der Al Kaida inspiriert sind und möglicherweise mit diesen Organisationen auch in Verbindung stehen, die aber nicht direkt gelenkt oder kontrolliert werden», sagt Mantovani.
Deshalb müsse man in erster Linie, wie in Lugano, mit Angriffen mit einfach zu beschaffenden Tatwaffen wie Messern oder mit Auto-Rammattacken rechnen. Mantovani: «Auch Anschläge mit Feuerwaffen wie in Wien sind nicht auszuschliessen, allerdings sind solche Attacken bereits komplexer wegen der dafür notwendigen Beschaffung von Tatwaffe und Munition.»
Trotz des Attentats in Lugano sieht Mantovani die Schweiz im Vergleich etwa zu Deutschland oder Frankreich nicht als prioritäres Ziel von Dschihadisten. Auch für die Weihnachtszeit, in der Islamisten auf Märkten in Europa schon mehrmals brutal zugeschlagen haben, gibt er sich optimistisch. Mantovani: «Da dieses Jahr aufgrund von Corona die meisten Weihnachtsmärkte ohnehin ausfallen, fällt es den Sicherheitsbehörden möglicherweise gar leichter, den Schutz der verbleibenden Märkte sicherzustellen.»