Ist der IS tatsächlich definitiv besiegt?
Auf dem Feld ist der IS militärisch besiegt. Es war abzusehen, dass er bei den offenen Feldschlachten gegen die Verbündeten keine Chance haben würde. Besonders Russland hat viel zur Zerschlagung des IS beigetragen.
Was kommt nach dem IS?
Der militärische Sieg gegen den IS bedeutet noch keine endgültige Niederlage für den IS. Seine Ideologie sitzt in sehr vielen Köpfen fest. Der IS wird als Cyber-Kalifat im virtuellen Raum weiterleben und sich vor allem über soziale Medien bemerkbar machen, um neue Leute zu rekrutieren und Anweisungen für Terroranschläge zu geben. Wir müssen uns auf einen Kleinkrieg im Dunkeln einstellen.
Können die Flüchtlinge nun wieder heimkehren, besteht in Syrien und im Irak Hoffnung auf Frieden?
Nein. Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen regionalen Milizen und Assads Regierungstruppen gehen weiter. Es ist auch zu erwarten, dass versprengte IS-Kader Guerilla-Aktionen durchführen werden. Ein Ende des Bürgerkriegs ist nicht in Sicht.
Wer ist der Sieger im Kampf gegen den IS?
Eindeutig nicht der Westen. Die USA hatten sich schon unter Präsident Barack Obama aus dem Nahen Osten verabschiedet, was die politische Verantwortung betrifft. Sieger ist klar Putin mit seiner schnellen und massiven Intervention. Sein Rückzug ist auch ein Bekenntnis dafür, dass er aktiv war.
Welche Rolle spielt Donald Trump in diesem Konflikt?
Durch die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels haben die USA im Nahen Osten auch das Feld der diplomatischen Vermittlerrolle aufgegeben. Die USA haben in der arabischen Welt an Ansehen eingebüsst. Auch Putin scheint Trump nicht mehr richtig ernst zu nehmen.
Was passiert nun mit Syriens Machthaber Assad?
Eigentlich wollte ihn der Westen stürzen. Aber solange Putin seine Hand schützend über ihn hält, muss man mit ihm leben. Es ist auch keine Alternative in Sicht. Wie Assad weiterregieren wird, hängt von der Frage ab, wie Putin seine Schachfigur aufs Brett setzt.
Wie gefährlich sind Dschihad-Rückkehrer?
Es herrscht Einigkeit darüber, dass von ihnen eine grosse Gefahr für mögliche Terrorattentate ausgeht. Das Problem ist, wie man Rückkehrern nachweisen will, dass sie dem IS angehören oder IS-Gedankengut vertreten. Solche Leute müssen ausfindig gemacht und beobachtet werden. Wichtig ist der Austausch von Informationen unter den Nachrichtendiensten.
Wie müssen wir mit Rückkehrern umgehen?
Es gibt Aussteiger- und Deradikalisierungsprogramme, wie sie für Rechtsextreme auch existieren. Allerdings wirken solche Programme bei Islamisten viel weniger, weil hier noch die Religion im Spiel ist. Viele Rückkehrerinnen und Rückkehrer sind aber vom IS enttäuscht: Sie sind meistens offen und liefern den Geheimdiensten wichtige Informationen.
In Damaskus werden Partys gefeiert, Syriens Fussballmannschaft hätte sich fast für die WM qualifiziert: Wie zerstört ist dieses Land wirklich?
Diese Diskrepanz gibt es bei Kriegen immer wieder. Tatsächlich ist Syrien am Boden, etwa die Hälfte muss man vergessen.
Wie müsste ein Wiederaufbau aussehen?
Es bräuchte eine Geberkonferenz, an der der Westen, Russland, der Iran und andere arabische Staaten teilnehmen müssten. Möglich wäre, dass die Uno die Schirmherrschaft übernähme. Aber an einen Wiederaufbau ist – auch nach der Zerschlagung des IS – wegen des Bürgerkriegs noch lange nicht zu denken.