Als es um Bachmut geht, kommt es zum Streit. Waleri Saluschni (49), der wichtigste General der Ukraine, will die Truppen von dort abziehen – der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (45) bleibt jedoch stur.
Wie «Bild» berichtet, soll Saluschni bereits vor mehreren Wochen auf einen Abzug aus Bachmut gedrungen haben. Sein Argument: Ein Rückzug aus Bachmut wäre nicht kriegsentscheidend, die Stadt ist kaum von strategischer Bedeutung. Der Ansturm auf Bachmut erweist sich für die Russen als enorm verlustreich, aber auch die Ukrainer verlieren viele Soldaten in der Schlacht um den fast komplett zerstörten Ort.
Wolodimir Selenski erklärte die Stadt im Dezember zur «Festung». Bachmut hat für ihn politischen Symbolwert. Selenskis Position findet in der ukrainischen Regierung viel Zustimmung. Laut «Bild» sind viele in der ukrainischen Regierung der Meinung, dass seine Entscheidung, Bachmut halten zu wollen, die richtige war. Man habe den Russen erheblichen personellen und materiellen Schaden zugefügt.
Machtkampf Regierung vs. Armee
Zwischen den beiden herrschte zu Beginn des russischen Angriffskrieges noch grosse Einigkeit. Die Arbeitsteilung war klar: Selenski kümmerte sich um die mediale Inszenierung, Saluschni um die Front. Inzwischen hat sich das jedoch geändert, Selenski mischt sich – wie im Fall Bachmut – auch in militärische Fragen ein.
Armee-Chef Saluschni ist im Volk sehr beliebt. Viele sehen in ihm einen möglichen Präsidentschaftskandidaten. Hinzu kommt: In der ukrainischen Armee ist das Festhalten an Bachmut umstritten. «Die grosse Mehrheit der Soldaten in Bachmut versteht nicht den Grund, warum die Stadt weiter gehalten wird», zitiert «Bild» einen Militärexperten. Die Frage, die die Kämpfer beschäftigt: «Warum sollten wir uns eingraben, wenn der Feind uns umzingelt?»
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Werden die Bachmut-Helden zu Opfern?
Saluschni weiss, wie die Russen ticken, kämpfte bereits auf der Krim gegen Putins Truppen. Er hat die Armee der Ukraine modernisiert und tut alles, um seine Kämpfer zu schützen – ohne die Russen gewinnen zu lassen. Das kommt bei den Soldaten gut an.
Die nächste russische Offensive in der Ukraine hat begonnen. Die russische Armee konnte Bachmut mit Unterstützung der Wagner-Söldnertruppe weitestgehend umzingeln, den Ukrainern bleibt nur noch eine wichtige Strasse zum Rückzug.
Gerade jetzt einen längeren Disput mit seinem wichtigsten General anzufangen, wäre kein kluger Schachzug von Selenski – auch mit Blick auf die in Bachmut ausharrenden Soldaten. «Sollten die ukrainischen Truppen in Bachmut umzingelt werden, so ist zu befürchten, dass die Helden zu Opfern werden», warnte der deutsche Militärexperte Ralph Thiele (68) schon vor einigen Tagen. (nad)