Mobilisierte russische Kämpfer verwenden wahrscheinlich «schaufelähnliche» Werkzeuge für den Nahkampf. Davon geht das britische Verteidigungsministerium aus. Moskaus Streitkräfte kämpfen mit Munitionsmangel, heisst es. Statt zu schweren Geschützen müssten sie jetzt zum Spaten greifen.
Aus Berichten mobilisierter russischer Reservisten gehe hervor, dass Soldaten den Befehl erhalten haben, ukrainische Stellungen nur mit «Schusswaffen und Spaten» anzugreifen. Das steht in der nachrichtendienstlichen Einschätzung der Briten am Sonntag zur Lage in der Ukraine. Die Schürfgeräte werden offenbar nicht nur zur Aushebung von Schützengräben verwendet: «Bei den Spaten handelt es sich wahrscheinlich um Schanzwerkzeuge, die im Nahkampf eingesetzt werden.»
Spaten des Typs MPL-50 gehören zur Standardausrüstung russischer Soldaten. «Seit dem Entwurf der Spaten im Jahr 1869 hat sich wenig geändert», schreiben die Briten in ihrem täglichen Kriegsbulletin. «Ihr fortgesetzter Einsatz als Waffe unterstreicht die brutalen und wenig technisierten Kämpfe, die einen Grossteil des Krieges kennzeichnen.» Die Tötungskraft der rudimentären Waffe sei in Russland «besonders mythologisiert».
Ukraine bekommt einmalige Chance
Der Mangel an Munition in den russischen Streitkräften wurde von russischen Militärbloggern und westlichen Analysten gut dokumentiert. Selbst der Chef der Wagner-Söldnergruppe, Jewgeni Prigoschin (61), beklagte sich lauthals über fehlende Waffen. Mittlerweile droht Prigoschin Putin selbst mit dem Rückzug seiner Truppen aus der Ukraine.
Laut den Briten beschrieb einer der Reservisten, dass er «weder physisch noch psychisch» auf den Frontkampf vorbereitet war. «Jüngste Anzeichen deuten auf eine Zunahme der Nahkämpfe in der Ukraine hin», heisst es weiter. «Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass das russische Kommando weiterhin auf Offensivaktionen besteht, die grösstenteils aus abgesessener Infanterie bestehen und weniger durch Artilleriebeschuss unterstützt werden, da Russland über zu wenig Munition verfügt.»
Mittlerweile seien auch Putins Kriegsmänner zerstritten, analysiert der «Economist». Es gebe hohe Verluste, die Mobilisierungswelle beibe aus und selbst einzelne Generäle lägen im Streit miteinander. Dem Kriegspräsidenten «gehen die Ideen und Waffen aus». Damit bekomme die Ukraine eine einmalige Chance: «Während sich die russische Militärmacht ihrem Tiefpunkt nähert», heisst es, «muss die Ukraine das Beste aus einer Gelegenheit machen, die sich vielleicht nie wieder bieten wird.» (kes)